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Fremdspracheninitiative

Entscheidend, eine Abstimmung zu gewinnen, ist der Wortlaut der Fragestellung. Insofern ist der Titel der Initiative "Nur eine Fremdsprache in der Primarschule" keineswegs irreführend. Die Stellungnahmen der meisten befragten Persönlichkeiten dafür umso mehr. Die Fremdspracheninitiaitve sei ein Angriff auf unsere Identität und benachteilige unsere Kinder. Es gehe um das Wohl der Kinder und den Zusammenhalt des Kantons. Spätestens die Einbringung dieser zwei Komponenten soll jedem möglichen Befürworter klar machen, dass eine kritische Position hinsichtlich zweier Fremdsprachen in der Primarschule gleichbedeutend sei mit mir ist das Wohl der Kinder unbedeutend und der Zusammenhalt des Kantons erst recht. Das ist natürlich eine Unterstellung die stichhaltigen Argumenten mangelt:

Wir sind vor etwas mehr als zehn Jahren aus einem englischsprachigen Land nach Chur gezogen, nota bene wegen unseres damals sechs jährigen Sohnes, der die erste Primarklasse besuchen sollte. Churerdeutsch kannte er lediglich ein wenig von mir, er hatte es quasi im Ohr, aber daheim sprachen wir nur Englisch, er selber sprach nie Churerdeutsch, oder Deutsch. Da machten wir uns schon etwas Sorgen wie es mit der Verständigung gehen würde.  Meine Frau und ich waren doch eher überrascht, als nach weniger als drei Monaten Verständigung in Churerdeutsch mit Lehrer und Mitschülern fliessend war. Der gute Bub war daraufhin auch in den Genuss der zwei Fremdsprachen in der Primarschule gekommen - glücklicherweise konnte er schon eine davon von Haus aus. Insofern hinkt der Vergleich. Tatsache jedoch ist, dass seine Full-immersion Erfahrung zu Beginn seiner Primarschulzeit nicht zu vergleichen ist mit Frühsprachunterricht in der Primarschule. Dieser ist quasi das krasse Gegenteil von "Full-immersion":  Fremdsprachen werden während einiger wenigen Stunden pro Woche "gelernt", dazu noch von einer Lehrpersonen die typischerweise die zu lehrende Sprache selber nicht als Muttersprache beherrschen, an Schüler die noch überhaupt kein methodisches Sprachverständnis der (deutschen) Muttersprache erlangt haben. Das Resultat kann nicht positiv sein. Aller Beteuerungen zum Trotz. Den ganzen Aufwand an Zeit, Lehrmittel, frustrierten Schülern und ausgelaugten Lehrern gar nicht zu erwähnen. Letztlich haben alle verloren:  die Schüler (sie beherrschen weder die gelernten Fremdsprachen noch Deutsch, da so viel Zeit und Energie für die Fremdsprachen aufgewendet wurde), die Eltern (die dürfen die frustrierten Kinder anhören), die Lehrer (Lehren von Stoff, der mit den beschränkten Werkzeugen fast unmöglich zu vermitteln ist) und die Allgemeinheit (enorme Kosten, Kinder die überhaupt keine Sprache mehr beherrschen). Mit so wenigen Vorteilen des Frühsprachenunterrichts ist ja klar, dass auf schwammige Argumente wie "Wohl des Kindes" und "Zusammenhalt des Kantons" zurückgegriffen werden muss, denn darunter kann sich jeder etwas vorstellen und schliesslich will niemand gegen das Wohl des Kindes und für das Auseinanderfallen des Kantons sein!

 

Andreas Hartmann
03.09.18 - 23:32 Uhr
Leserbrief
Ort:
Chur
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