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Rotkäppchen trifft auf Froschkönig

Das Schultheaterfestival «Best Festival» des Theaters Chur in Zuoz ist gestartet. Jeden Tag berichten sechs Schülerinnen und zwei Schüler für uns vom Festival und verfolgen die Themen ihrer Generation. Das war Tag eins.

Südostschweiz
09.04.19 - 14:09 Uhr
Kultur
Die Festivalreporter waren zum ersten Mal im Einsatz.
Die Festivalreporter waren zum ersten Mal im Einsatz.
ZVG

von Albrecht Lehmann

Zum ersten mal wird das «Best Festival» von einer Gruppe begleitet, die darüber berichtet. Sie sind schreibwütig, theaterbesessen und kokettieren mit dem Wahn eines journalistischen Berufes. Sie sind zwischen 16 und 19 Jahre alt und üben sich diese Woche im Schreiben von Kritiken, von Berichten, Kommentaren und kleinen Reportagen. Neugierig sind sie unterwegs, geleitet vom Wunsch, nicht nur zu schauen, sondern zurück zu geben.

An diesem Montag kam die Gruppe das erste mal zusammen. In Teams strömten sie aus, halfen sich gegenseitig. Diskussionen über die richtige Formulierung, die Suche nach einem griffigeren Wort, einem geschmeidigeren Eingang oder Ausgang in den Text. Vielleicht mit dem Ziel, den eigenen Text zu verbessern - aber sicher auch, um den SchülerInnen, deren Spiel sie beobachtet hatten, eine würdige und würdigende Antwort zu geben.

«Spotlight - s'Beschta vom Bescht» heisst das Ergebnis in Form eines Tagesblattes. Und das sind die Beiträge - zu jeder Inszenierung eine Kritik - des ersten Tages:

Ruhe vor dem Sturm von Zippora Orlik

Ruhe. Die Schulhallen des Lyceums in Zuoz sind leer. An den Wänden hängen Fotos der gewonnenen Sportanlässen von den frühen 60ern bis in die Gegenwart. Ausgewählte Kunst versucht die kühlen Hallen etwas zu beleben. Der erste Schüler stolpert durch die Gänge, reibt sich, immer noch halb schlafend, die Augen. Ein normaler Montagmorgen? Nein. Man hört Stimmen näher kommen. Lachen. Die Tür geht auf, eine Schulklasse betritt das Lyceum. Und noch eine. Und noch eine. Aufgeregt und wild plaudern alle durcheinander. Schuhe quietschen, irgendwo fällt etwas zu Boden. Der Schülerstrom fliesst in eine Richtung: die Aula.

Kurze Zeit später sitzen alle auf ihren Plätzen. Der Lärmpegel sinkt, die Nervosität steigt. Spannung liegt in der Luft. Und dann geht es los: Loris Mazzocco begrüsst die Anwesenden, und bittet jeden Einzelnen, der mit Theater zu tun hat, auf die Bühne. Egal ob Schauspieler, Zuschauer oder Techniker. Jeder gehört ins Rampenlicht, denn jeder trägt dazu bei, dass diese Woche ein Erfolg wird. Mit einer gemeinsamen Motivations-Welle erreichen wir den Höhepunkt des Kick-Offs und die Woche kann beginnen. Jeden Moment wird hier die erste Klasse ihr einstudiertes Stück vorspielen und den Kampf gegen Nervosität und Angst starten. Toi, toi, toi!

Mord im Märchenland von Lara Cantoni

Hier werden Märchen vermischt und modernisiert: Rotkäppchen, der Froschkönig und die sieben Geisslein. Es handelt vom Mord an 24 Geburtshelferkröten, der von vier aufgeweckten Kommissaren aufgeklärt werden soll. Sündenbock der Geschichte ist – natürlich - der Wolf. Sein Grossvater war für die Ermordung der jungen Geisslein verantwortlich. Sein Vater hatte das Rotkäppchen und dessen Grossmutter verschlungen. Das Theaterstück soll «spannender als im Film» sein - und was gibt es Besseres hierfür als etwas verbotene Liebe einzubauen? Rotkäppchen verliebt sich kopfüber in den Wolf, der von allen als asozialer Obdachloser bezeichnet wird. «Doch genau das will ich! Ich will so jemanden heiraten!» meint das Mädchen. Zudem fügt sie hinzu: «Er hat noch nie eine Chance von euch bekommen, dabei kennt ihr ihn doch gar nicht!». Damit wird auch ein aktuelles Problem dargestellt: Oft haben wir Vorurteile, ohne tatsächlich mit einer Person vertraut zu sein. Zuletzt wird der «böse» Wolf aus Eifersucht vom Jäger, der das Rotkäppchen ebenfalls verehrte, erschossen. Darauf folgend schaffen es die Kommissare den Mord an den Geburtshelferkröten aufzudecken. Die Königstochter hatte die Kröten eine nach der anderen getötet, nachdem sie vergeblich versucht hatte, jede einzelne zu Küssen und diese sich nicht in Prinzen verwandeln wollten.

Eimol isch keimol von Lena Reber und Fabian Furrer

«Eimol isch keimol» – dies ist der Anfang, der Anfang von allem, und oft bleibt es nicht bei einem Mal. In verschiedenen Szenen beschreiben sie diverse Probleme die wir alle kennen. Sei das der Konsum von Rauschmitteln, Trennung der Eltern, Mobbing in der Schule oder Gruppenzwang. Die Probleme häufen sich und allen wird es zu viel. Hüpfend und Tanzend kommt ein Engel daher und reisst die Jugendlichen aus ihrer Verzweiflung. Die Botschaften, die der Engel überbringt sind nicht nur an die Jugendlichen gerichtet, sondern an das ganze Publikum. Tipps fürs Leben wie «Nehmend Kompliment ah, Vergliichend eu nit mit de Mitmensche, Luegend uf das was ier könnd» und vieles mehr bringen sie in die Aula des Lyceum Alpinums in Zuoz. In einem nachträglichen Interview erzählten uns einige der Nachwuchs-Schauspieler was sie sich Backstage überlegt haben. Als Abschlussklasse wollten sie nicht nur ein unterhaltendes Stück präsentieren, sondern auch Allen eine wichtige Botschaft überbringen. Unterhaltung und Botschaft: Das haben sie unserer Meinung nach klar erreicht.

TRÄUMEN KOSTET NICHTS oder WIE DAS GLÜCK DICH FINDET von Jessica Willi und Paula Savary

«I han en Traum, aber de wird eh nia in Erfüllig goh… für de müessti riich si!».
Wir befinden uns in einem friedlichen Dorf in den Bündner Bergen, auf dem Dorfplatz gehen alle ihrer Arbeit nach; hoch darüber haust die reiche Gräfin Klara Elisa von Bingen in ihrem Schloss. Zwei der Dorfbewohner, ein Bauer und ein alter Mann, sitzen zusammen am Fluss und angeln. Der Greis, gestützt auf einen klobigen Gehstock, träumt davon, im Dschungel einen Tiger zu streicheln. Der Bauer steigt darauf ein, sie spinnen ihre Idee weiter und aus der Geräuschkulisse des plätschernden Flusses wird tropisches Gezirp, im Hintergrund hören sie den Tiger schnurren. Alle im Dorf haben ihre Wünsche: Mehr Touristen, einen Helikopterflug, ein schnelles Auto, die Umsetzung einer Erfindung.

Das Geld scheint der Schlüssel zur Erfüllung dieser Tagträume… Doch gerade die wohlhabende Gräfin ist unglücklich und sehnt sich nach Besuch und Freundschaft. Erst nachdem sie kurzerhand beschliesst, ihren teuren Schmuck unter den Bewohner*innen zu verteilen, merken alle: Glück ist nicht zu kaufen.

Die Zaubersuppe von Telma Seixas Fernandes und Flavio Petereli

«Mir ist langweilig, ich möchte ein KindSo begannen die Probleme von zwei benachbarten Königreichen. Dieses «grauenhaft schöne Stück» wurde von der fünften Primarklasse Chur Barblan inszeniert. Das Stück erzählt von zwei Königreichen, welche sich insgeheim brauchen, aber es nicht wahrhaben wollen. Die Kinder der beiden Familien zeigen uns mit einer humorvollen Art, dass es, um froh zu sein, wenig bedarf. Diese Message bringen die Schüler mit sehr viel Kreativität direkt ans Publikum und beziehen es mit ein. Sie füllen ihr Stück mit beeindruckenden Break-Dance Einlagen, mit lustigen Gefechten und amüsanten Bezeichnungen, wie mit z.B «mein duftender Drache», «mein Krötli» oder auch «du saure Gurke, du Ananas». Zum Schluss des Stückes bekriegen sie sich und zerstören ihre Königreiche. Lichter flackern, Blumen werden zerrissen, Ballone platzen, und anschliessend zeigen die Kinder ihnen den richtigen Weg, abseits von Krieg und Zerstörung. Im Grossen und Ganzen ist es ein Meisterwerk mit einer aktuellen Botschaft für die heutige Gesellschaft.

Die FestivalreporterInnen:
Telma Seixas Fernandes
Paula Savary
Fabian Furrer
Flavio Peterelli
Zippora Orlik
Lena Reber
Jessica Willi
Lara Cantoni

Leitung:
Albrecht Lehmann

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