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Kunstmuseum schafft neue Stelle wegen Raubkunst

Nach dem Kirchner Museum in Davos erhält neu auch das Bündner Kunstmuseum Geld vom Bund zur Erforschung von Kunstgegenständen, welche möglicherweise während des Zweiten Weltkrieges gestohlen wurden. Diese Gelder wirken sich auch auf die Belegschaft aus.

Südostschweiz
20.11.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Kunstmuseum
Das Bündner Kunstmuseum hat ebenfalls Forschungsgelder beantragt.
YANIK BÜRKLI

von Nadia Kohler und Valerio Gerstlauer

Das Bundesamt für Kultur vergibt für die kommenden drei Jahre über 1,1 Millionen Franken zur Aufklärung von NS-Raubkunst-Fällen. Insgesamt 14 Museen werden mit diesem Geld bei den Untersuchungen unterstützt. Darunter sind auch die Ernst Ludwig Kirchner Stiftung in Davos und das Bündner Kunstmuseum in Chur.

Im Fall des Kirchner Museums kommt die Unterstützung nicht überraschend. Das Museum hatte bereits in der ersten Runde 30'000 Franken zur Aufklärung der Herkunft von Kunstwerken erhalten. Dabei wurden vorrangig Werke aus der Stiftung Baumgart-Möller untersucht. Bei 16 Werken konnte die Herkunft geklärt werden und sie wurde für unbedenklich befunden. Bei 21 Werken sind die Herkunftsangaben zwischen 1933 und 1945 weiterhin lückenhaft, aber es gebe keine Hinweise, welche einen NS-Raubkunstverdacht nahelegen würden, wie aus einem Bericht auf der Website des Museums hervorgeht.

Die Freude ist gross  

Anders sieht dies beim Bild «Landschaft mit Badenden» aus. Das Werk gehörte einst Berthold Nothmann, einem jüdischen Sammler und Kunsthändler. Das Kunstwerk stammt vom deutschen Expressionisten Otto Mueller und war zuletzt im Besitz der Stiftung Baumgart-Möller.
 

So sieht ein Teil des Bildes aus. ZVG

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kirchner Museums, Julia-Sophie Syperreck, befasst sich mit der Aufklärung der Herkunft. Dafür ist sie gar nach Berlin gereist, wo der Nachlass von Kunsthändler Ferdinand Möller lagert. Bisher konnte der Fall jedoch noch nicht geklärt werden, wie Syperreck im September der Zeitung «Südostschweiz» erklärte.

Es gebe keine Kaufverträge oder Geschäftsbriefe zwischen Möller und Nothmann. «Man weiss auch nicht, wie das Werk wann, von wem, zu wem gehandelt wurde», so Syperreck damals. Das Museum beantragte deshalb erneut «Forschungsgelder», welches es nun auch bekommt. Konkret vergibt das Bundesamt für Kultur 45'000 Franken für die sogenannte Provenienzforschung an das Kirchner Museum.

Kunsthistorikerin Julia-Sophie Syperreck hat das Werk untersucht. BÉLA ZIER

Über den erneuten Zuschuss freut sich Syperreck riesig, wie sie im Interview mit «suedostschweiz.ch» erklärt. Man sei sehr dankbar für die finanziellen Mittel des Bundes. Ohne diese wäre die NS-Raubforschung für ein kleines Museum nicht zu stemmen. Der erste Betrag sei etwas knapp gewesen, erklärt Syperreck weiter.

Nun könne man die Forschungen rund um das Bild von Otto Mueller wiederaufnehmen und die Forschungskontakte ausbauen. Unter anderem in die USA und zu Archiven in Deutschland. Für die weiteren Untersuchungen seien Archivreisen sehr wichtig.

Nebst dem Bild «Landschaft mit Badenden» sollen zudem weitere rund 50 Kunstwerke auf ihre Herkunft untersucht werden. Sie stammen aus der Klassischen Moderne und sind nicht nur von Kirchner, sondern auch von anderen Zeitgenossen. Es handle sich dabei um Gemälde und grafische Arbeiten, so Syperreck weiter.

Kunstmuseum schafft eine Stelle

Neben dem Kirchner-Museum unterstützt das Bundesamt für Kultur auch das Bündner Kunstmuseum in Chur bei der Provenienzforschung. Für die Jahre 2018 bis 2020 erhält das Kunstmuseum 80'000 Franken. Es sei das erste Mal, dass der Bund das Bündner Kunstmuseum bei der Abklärung der Herkunft von Kunstwerken finanziell unterstütze, sagt Stephan Kunz, der Co-Direktor des Museums gegenüber der Zeitung «Südostschweiz». «Es ist nun an der Zeit, dass alle Museen ihre Pendenzen abklären – einen konkreten Verdachtsfall auf Raubkunst haben wir nicht.»

Für die Untersuchung von rund 80 Werken werde eine Stelle geschaffen beziehungsweise jemand gesucht, der das Museum bei dieser Arbeit unterstütze. «Im Fokus stehen Werke aus unserer Expressionistensammlung wie etwa Bilder von Ernst Ludwig Kirchner.» Aber auch Werke von Angelika Kauffmann, Otto Dix, Cuno Amiet, Giovanni Segantini und Ferdinand Hodler würden auf ihre Herkunft untersucht.

Es ist keine Premiere, dass das Bündner Kunstmuseum Untersuchungen wegen Raubkunst anstellt. Im Jahr 2000 retournierte das Bündner Kunstmuseum gar ein Bild von Max Liebermann mit dem Titel «Nähschule im Waisenhaus Amsterdam», wie der damalige Direktor Beat Stutzer gegenüber der Zeitung «Südostschweiz» im Jahr 2011 erzählte. Dabei übernahm das Kunstmuseum gar eine Vorreiterrolle. Es handelte sich um einen der ersten Fälle, wo ein Schweizer Museum ein gestohlenes Bild zurückgab.

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