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«Ich mache immer wieder etwas anderes»

Michael Steiner präsentiert seinen neuen Film «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse». Der aus Rapperswil stammende Regisseur steht zum Werdegang des Werks Red und Antwort.

20.10.18 - 04:33 Uhr
Kultur
Vom Zürcher Filmfestival zurück an den Obersee –Regisseur Michael Steiner stellt in Rapperswil seinen neuen Film vor.
Vom Zürcher Filmfestival zurück an den Obersee –Regisseur Michael Steiner stellt in Rapperswil seinen neuen Film vor.
Keystone

Der Film «Wolkenbruch» erzählt witzig und humorvoll die Geschichte von Motti Wolkenbruch (Joel Basman), der immer brav getan hat, was seine jüdisch-orthodoxe Mame ihm vorschreibt. Bärtig und unauffällig gekleidet, zeigt sich Motti als beflissener Student an der Zürcher Universität und arbeitet Teilzeit im väterlichen Unternehmen. Als die Mutter ihren Sohn verkuppeln will und lauter junge Frauen einlädt, weicht Motti vom traditionellen Pfad ab: Er verliebt sich an der Uni in die schöne Nichtjüdin Laura (Noémie Schmidt). Seine Mame ist ausser sich – eine Beziehung mit einer Schickse ist im Lebensplan von Motti nicht vorgesehen. So beginnt Motti mutig seine wunderliche Reise zur Selbstbestimmung, die mit Herzschmerz, aber auch viel Humor verbunden ist.

Wie kommen Sie vom Sennentunschi zum Wolkenbruch?

Michael Steiner: So in etwa wie ich von «Mein Name ist Eugen» zu «Grounding» kam: Ich mache immer wieder etwas anderes. Es gibt keine Konstante in meinen Filmen ausser dem Wandel. Zum neuen Streifen «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» gibt es zu sagen: Zum ersten Mal ist es eine Tragikomödie oder eine romantische Liebeskomödie.

Haben Sie am Obersee in ihrer Kindheit und Jugend Kontakt gehabt mit Juden?

Nein, denn es gibt in Rapperswil keine orthodoxen Juden, denn die leben in der Nähe einer Synagoge. Ich habe allerdings in Zürich und anderen Städten gute jüdische Freunde.

«Ich habe den Zugang zum Judentum erst gefunden, indem ich den Katholizismus abgelegt habe.»

Hat Ihre katholisch geprägte Kindheit in Rapperswil den Zugang zum Stoff in Thomas Meyers Buch einfacher gemacht?

Nein, ganz im Gegenteil (lacht): Ich habe den Zugang zum Judentum erst dadurch gefunden, indem ich den Katholizismus abgelegt habe. Ganz im Ernst, ich sehe da keine Grenzen, denn schliesslich heisst unsere aufgeklärte Heimat ja jüdisch-christliches Abendland.

Wie sind Sie überhaupt zum Plot gekommen, wie die Jungfrau zum Kind?

Die Turnus Film hat mich angefragt, ob ich das Buch von Thomas Meyer verfilmen möchte. Daraufhin habe ich das Buch gelesen, um herauszufinden, ob es verfilmbar ist: Ein Roman muss visuell umsetzbar sein und sich nicht allzu sehr in Innerlichkeiten verlieren. Obwohl ich Literaturverfilmungen eher mit Skepsis begegne, fand ich bei diesem Buch auf Anhieb, dass es funktioniert.

Wie haben Sie die Tage während des Drehens in Zürich erlebt?

Als ein Heimspiel: Da ich 25 Jahre meines Lebens in Zürich verbracht habe, fand das Drehen quasi vor meiner Haustüre statt. Gedreht haben wir vor allem in den Kreisen 2 und 3, weil die Orthodoxen in der Enge und in Wiedikon leben. Wichtig war mir, dass wir auf touristische Orte in Zürich verzichten, um authentisch zu bleiben und nicht die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen abzulenken.

«Es geht um einen Mutter-Sohn-Konflikt. Und da hilft naturgemäss die Muttersprache.»

Was hat Sie am meisten beeindruckt an der Dreharbeit?

Die Leistung der Schauspieler. Das betrifft auch die Sprache: Im Film wird teilweise Jiddisch gesprochen. Damit das Publikum die Sprache auch versteht, mussten die Schauspieler eine vereinfachte Version von Jiddisch sprechen. Ich wollte das so, weil Jiddisch am engsten mit dem Schweizerdeutsch verwandt ist und sich die Geschichte um einen Mutter-Sohn-Konflikt dreht. Da hilft die Muttersprache natürlich. Es macht nun richtig Spass, den Film zu schauen, denn nach einer kurzen Gewöhnungszeit verstehen wir Schweizer diese wunderbare Sprache auch ohne Untertitel.

Sechs Jahre lang haben Sie keinen Film mehr gedreht. Hat das mit dem Misserfolg Ihres letzten Streifens «Missen-Massaker» zu tun?

Durchaus. Offensichtlich hat bei mir ein einziger Misserfolg ausgereicht, um mich zu schneiden. Dass ich vier Jahre lang keine Angebote mehr erhielt, hat darum brancheninterne Gründe.

Was haben Sie gemacht in dieser Zeit?

Ich habe auf den Philippinen gelebt und mich dort nach dem verheerenden Taifun beim Wiederaufbau der Stadt Tacloban engagiert.

«Geplant ist ein Film über Kosovo-Albaner in der Schweiz, in dem es um Blutrache geht.»

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Es ist noch nichts spruchreif. Vorgesehen ist ein Film über Secondos in der Schweiz, konkret ein Streifen über Kosovo-Albaner und die Märchen, die über sie erzählt werden. Ausgelöst hat das Ganze die total ärgerliche Diskussion über die Doppeladler-Geste in diesem Sommer. Ich frage mich immer noch, wie es möglich war, dass Hunderte von serbischen Fans ins Stadion gelassen wurden, die rechtsradikel waren. Und was ich mich noch viel mehr frage, wieso dass dies Sportreporter Sascha Rufer nicht gesehen hat, denn er sass ja schliesslich auch da drin im Stadion. Der Film dreht sich aber nicht um Fussball, sondern um Blutrache.

Ist es für Sie vorstellbar, in einem Ihrer Filme auch einmal den Obersee in den Fokus zu rücken?

Da ich die Themen meiner Filme nicht nach geografischen Kriterien auswähle, kann ich dies nicht ausschliessen. Das hängt von der Geschichte ab.

Zur Person
Michael Steiner, geboren am 30. August 1969, ist aufgewachsen in Rapperswil und hat nach der Matura begonnen, Ethnologie, Kunstgeschichte und Filmwissenschaft an der Uni Zürich zu studieren. Er brach das Studium ab und drehte seinen ersten Spielfilm «Nacht der Gaukler». Seinen grössten Erfolg als Filmemacher hatte er mit «Mein Name ist Eugen», für den er 2006 den Schweizer Filmpreis erhielt. «Grounding – die letzten Tage der Swissair» war einer der erfolgreichsten Filme in Schweizer Kinos im Jahr 2006. Unter Michael Steiners Regie wurde der Film «Sennentunschi» in der Schweiz gedreht. Seine Produktionsfirma Kontraproduktion geriet während der Postproduktion in finanzielle Schwierigkeiten und wurde von der Constantin Film aufgekauft. 2017 verfilmte Michael Steiner den Bestseller «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» des Schweizer Schriftstellers Thomas Meyer, der auch das Drehbuch dazu geschrieben hat. In den Hauptrollen spielen Joel Basman (Motti Wolkenbruch) und Noémi Schmidt (Laura) sowie Inge Maux (die Mame) und Udo Samel (der Tate). Michael Steiner hat zwei Kinder und lebt in Zürich.

Autor am Obersee
Buchautor Thomas Meyer stellt heute Samstag zusammen mit Regisseur Michael Steiner und Hauptdarsteller Joel Basman das Buch und den Kinofilm «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» in der Stadtbibliothek und in der Kinobar Leuzinger in Rapperswil vor. Thomas Meyer liest um 17 Uhr in der Stadtbibliothek aus seinem amüsanten, vom Wortwitz lebenden Erfolgsroman, bevor um 18 Uhr in der Kinobar Leuzinger der Vorhang für die Vorpremiere des Films öffnet. Im Anschluss gewähren der Autor, der Regisseur Michael Steiner und der Hauptdarsteller Joel Basman um 19.30 Uhr Einblicke in die Dreharbeiten. Sie erzählen von der Herausforderung, den subtilen Humor des Buches auf die Kinoleinwand zu bringen. Morgen Sonntag wird der Film in Anwesenheit von Regisseur Michael Steiner, Schauspieler Joel Basman und Produzent Hans Syz im Kino Rex in Uznach gezeigt. Anschliessend an den Film gibt es eine kleine kulinarische Überraschung. Eine Reservierung ist im Voraus möglich oder direkt an der Morgenkasse. Sitzplatzreservation unter www.kino-uznach.ch oder telefonisch (055 280 25 00).

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