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Vom «Schacher Seppli» und «Urnerbodä-Kafi»

Das Älpler-Wunschkonzert von Radio SRF geniesst Kultstatus. Es ist ein Feiertag für die Älplerinnen und Älpler der Schweiz. Es ist aber noch mehr: eine heimliche Heiratsbörse.

Martin
Meier
08.08.18 - 04:30 Uhr
Kultur

Montag, 6. August, am Nachmittag: Das Thermometer zeigt 34 Grad. Was für eine Bruthitze in Glarus unten. Oben auf der Alp ist es 17 Grad kalt. Es regnet. Diese Annehmlichkeit dauert allerdings nicht lange. Siedend heiss wird es wieder in der riesigen Festhütte, die im «Ürnerland» aus dem Boden gestampft wurde. Weit über eine Minute beansprucht es, um das Zelt der Länge nach abzugehen, das schon vor dem Mittag voll ist.

Der Urnerboden gehört für einmal auch den Glarnern

Für einmal gehört der Urnerboden auch ein wenig den Glarnern: Auf dem Grill liegen Hösli-Würste, ausgeschenkt wird Adler-Bier. Sieben Flaschen Holunder-Wein bevorzugten bis jetzt, Schlag 18 Uhr, zwei Glarner: Ingrid Nielsen und Remo Marty. «Dazu kommen noch fünf ‹Spezli›», sagt Remo, der nicht nur getrunken, sondern auch gegessen hat. «Eine Bratwurst, Chicken Nuggets und ja: Pommes frites.»

«Käsemeister» Sepp Gössi steht vor der Festwirtschaft und lebt von seinen Milchprodukten, Ländler-König Kurt Albert von seiner Musik. Sein «Urnerbodä-Kafi» schrieb wie der «Schacher-Seppli» und die «Steiner-Chilbi» Volksmusik-Geschichte, wird international in 60 Versionen gespielt und ist gar als Handy-Klingelton zu haben. Noch dauert es zwei Stunden, bis Christine Gertschen und Beat Tschümperlin die Schweizer Senntenfamilie am Mikrofon begrüsst und das Älpler-Wunschkonzert live über den Äther geht.

Feiertag und heimliche Heiratsbörse

Die traditionelle Veranstaltung ist allerdings mehr als nur eine lüpfige Musiksendung. Für die Älplerinnen und Älpler ist heute ein Feiertag, an dem man «gsunntiget» daherkommt. Die Frauen in prächtigen Trachten, mit frisch gezöpfelten Haaren, die Männer in Edelweisshemden. Denn das Älpler-Wunschkonzert ist auch eine heimliche Heiratsbörse, an der nicht nur gejasst und geschnupft, sondern auch getanzt und geflirtet wird.

Seit Langem verheiratet ist da allerdings jener Mann, der mit seiner Frau zuvorderst in der Mitte des Zeltes sitzt. «Der ist der höchste Glarner», meint einer. Ein anderer kombiniert: «Dann kommt der aus Braunwald.» Landratspräsident Bruno Gallati kommt allerdings aus Näfels.

Geschlafen wird dort, wo es gerade passt

Auf der Bühne bereitgestellt haben sich derweil des Ländlertrio Echo vom Lizä, das Schwyzerörgeliquartett Urwurzu und die urchigen «Appenzöller» vom Jodlerclub Teufen. Soundcheck, bevor es nach den 20-Uhr-Nachrichten losgeht; mit «Älpler sowieso grüsst Älplerin anderswo». So richtig los geht es allerdings erst nach der zweistündigen Livesendung. Geschlafen wird erst, wenn es hell wird; im Hotel, Matratzenlager, Auto oder Stroh.

Das Wunschkonzert ist eine heimliche Heiratsbörse, an der nicht nur gejasst und geschnupft, sondern auch getanzt und geflirtet wird.

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