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Poprock-Konzert scheitert am Tanzverbot

«An Pfingsten gehts am ringsten» – oder gar nicht. Weil eine Busse droht, tritt die Band Delilahs heute nicht im Holästei in Glarus auf.

Marco
Häusler
19.05.18 - 04:30 Uhr
Kultur
Getanzt wird nach der Pfeife des Gesetzes
Getanzt wird nach der Pfeife des Gesetzes
ARCHIVBILD

«Leider müssen wir das Konzert von Delilahs diesen Samstag absagen», steht auf der Webseite des Glarner Kulturzentrums unter www.holaestei.ch. «Der Kanton Glarus hat nach wie vor ein Tanzverbot, welches hohe Bussen nach sich zieht.»

Neu ist dieses «Tanzverbot» tatsächlich nicht. Es geht auf das Ruhetagsgesetz aus dem Jahr 1973 zurück, das an der Landsgemeinde 2012 leicht angepasst wurde. Nicht gerüttelt wurde dabei an den fünf hohen Feiertagen. Als solche gelten der Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag und Weihnachten. Und untersagt sind dann: «Veranstaltungen des Unterhaltungsgewerbes wie insbesondere Schaustellungen, Zirkusaufführungen, Tanz- und Musikveranstaltungen sowie Kino- und Theatervorstellungen im Freien.»

Das «Tanzverbot» sei bisher «jeweils gnädig beurteilt» worden, steht auf der Holästei-Webseite weiter. «Im Fall von diesem Samstag (Pfingsten) hat die Polizei jedoch mit Sanktionen gedroht, die weder trag- noch akzeptierbar sind.»

Klagen über verschärfte Praxis

Den Gästen, die jetzt zu Hause bleiben müssen, wird für ihr Verständnis gedankt. «Wir hoffen, das Konzert bald nachholen zu können.»

Darüber hinaus sind die Verantwortlichen des Kulturzentrums gestern mit einer Medienmitteilung an die Öffentlichkeit getreten. «Eine Veranstaltung zu organisieren, ist nicht ohne», steht darin, «besonders wenn Livemusik dargeboten werden soll.» So brauche es einen Techniker für das Mischpult, jemanden, der sich um die Lichtsteuerung kümmere, Einlasskontrolleure, und für die Künstler müssten Unterkunft und Verpflegung organisiert werden.

Getan worden sei das alles schon, um die Schweizer Poprock-Band Delilahs für heute Samstag zu buchen. «Dabei wurde Rücksicht genommen auf die nicht zu betanzenden Zeiten.» So sei festgelegt worden, um 23.55 Uhr zu schliessen. Das «Tanzverbot» wäre so beachtet worden.

Der Kanton lege das Recht jedoch neu aus. Danach sei das Tanzen auch am Vorabend hoher Feiertage verboten, was so jedoch nie kommuniziert worden sei. Stattdessen habe die Kantonspolizei am letzten Mittwoch im Holästei angerufen, um über diese Neuerung zu informieren. Gleichzeitig sei eine Busse für den Fall der Missachtung angedroht worden.

Überhaupt würden seit dem 24. Dezember 2017 «verstärkt Anlässe an hohen Feiertagen kontrolliert und verboten», steht in der Mitteilung weiter. Und ein Zusatz zu den Gastronomiebewilligungen besage, dass um Mitternacht, also mit dem Beginn des hohen Feiertags, die Musik abgestellt werden müsse.

«Um das Kulturschaffen zu fördern, sollte eine zeitgemässe Verhältnismässigkeit von Angebot, Nachfrage und Gesetz gefunden werden», finden die Holästei-Verantwortlichen jedoch. «Als Auftrittslokal in einer Industriezone hat das Kulturzentrum Holästei Vorteile, welche in der Wohnzone der Innenstadt angesiedelten Betrieben verwehrt bleiben.»

Schon 2012 abgeblitzt

Beim Vorstand und der Geschäftsleitung stosse das momentane Vorgehen der Behörden auf Unverständnis. Es fördere «die Abwanderung der Jungen und jung gebliebenen Ausgangsliebenden» in Kantone, in denen das Tanzverbot mehrheitlich abgeschafft worden sei. So werde ein Glarner Wirtschaftszweig vernachlässigt.

Ähnlich argumentiert hatten 2012 an der Landsgemeinde bereits jene jungen Frauen und Männer, die sich für die Aufhebung des «Tanzverbots» eingesetzt hatten. Sie unterlagen in Übereinstimmung mit dem Landrat gegen jene Kreise, die für die Beibehaltung kultureller Traditionen und religiöser Werte votierten.

Stellung zur Medienmitteilung aus dem Holästei bezog gestern auf Anfrage auch Mediensprecher Daniel Menzi für die Kantonspolizei. Der Vollzug des Ruhetagsgesetzes obliege dem Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI), schrieb Menzi. Und dieses habe festgelegt, «dass Tanz- und Musikveranstaltungen die hohen Feiertage auch nicht tangieren dürfen». Das bedeute, dass eine Veranstaltung auch dann nicht an einem hohen Feiertag beginnen dürfe, wenn der Musik- und Tanzbetrieb erst ab Mitternacht aufgenommen werde.

Und umgekehrt: «Gleiches gilt für die Durchführung einer Musik- und Tanzveranstaltung, welche bereits am Vorabend eines hohen Feiertages startet, um dann ab 24 Uhr als normaler Barbetrieb weitergeführt zu werden.» Darauf und auf die Konsequenzen eines Verstosses habe die Kantonspolizei die Veranstalterin am Mittwoch hingewiesen.

Marco Häusler ist Dienstchef der Zeitungsredaktion «Glarner Nachrichten». Er absolvierte den zweijährigen Lehrgang an der St. Galler Schule für Journalismus und arbeitete bei der ehemaligen Schweizerischen Teletext AG und beim «Zürcher Unterländer», bevor er im Februar 2011 zu Somedia stiess. Mehr Infos

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Nach meiner Ansicht ist das Tanzverbot ein alter Hut aus dem vorigen Jahrhundert.Ich frage mich auch ?welche Kantone haben dieses noch.Tanzen und sich unterhalten an einem Event ist Lebensfreude.Ich kann mich noch gut erinnern ,als wir im GH in Ennenda Musik gemacht haben am Samstag vor einem Bettag und als die Polizei Punkt 24 00h vor der Bühne stand und wir die Veranstaltung beenden mussten.Nach meiner Ansicht kam das Tanzverbot von der Kirche aus, damit die Schäfchen am andern Tag in die Kirche gehen sollen und nicht noch am Feiern sind bis in die frühen Morgenstunden.Das heisst also:die Kirche sagt mir ob ich feiern darf oder nicht.Ich hoffe das dieser alte Zopf in kürze beerdigt wird.Wie heisst es ja:Man soll die Feste feiern wie sie fallen . mit freundlichem Gruss Alt Musikant und Countrymusiker 76 W Grämer Niederurnen

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