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Monika Brunner: «Ferdinand Hodler war ein Unternehmer-Künstler»

Zu seinem 100. Todestag am 19. Mai hat die Basler Kunsthistorikerin Monika Brunner Ferdinand Hodler in der Bundeskunsthalle Bonn als «Maler der frühen Moderne» vorgestellt, mit einer Werkschau von 1870 bis 1917. Ein Interview über den Schweizer Maler.

Agentur
sda
09.04.18 - 08:20 Uhr
Kultur
Monika Brunner, wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Projekt "Ferdinand Hodler (1853-1918). Catalogue raisonné der Gemälde" am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) posiert am 22. März 2018 am SIK-ISEA in Zürich.
Monika Brunner, wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Projekt "Ferdinand Hodler (1853-1918). Catalogue raisonné der Gemälde" am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) posiert am 22. März 2018 am SIK-ISEA in Zürich.
Keystone/ENNIO LEANZA

SFD: Wie hat das deutsche Publikum auf ihre Ausstellung reagiert?

Monika Brunner: Sehr positiv. Grossen Anklang fanden etwa seine Bildnisse und Selbstporträts, die in Deutschland bisher selten zu sehen waren. Überhaupt ist Ferdinand Hodler in Deutschland viel weniger bekannt als in der Schweiz, obwohl er dort seine ersten Erfolge feierte. Deutsche Galeristen, Kunstvereine und Sammler haben sein Potential früh erkannt, sein Monumental-Stil galt als modern.

SFD: Wann begann denn Hodlers Erfolg in Deutschland?

Monika Brunner: 1897, als er im Glaspalast in München «Die Nacht» zeigen konnte. Für dieses Gemälde erhielt er eine Goldmedaille erster Klasse. 1905 kaufte Karl Heinz Osthaus für sein Museum Folkwang in Hagen (heute Essen) das Gemälde «Der Frühling». Es war das erste Werk Hodlers für ein öffentliches deutsches Museum. Wie andere unkonventionelle, das heisst moderne Maler stellte Hodler in verschiedenen deutschen Städten aus. Auch Kunsthändler wie Paul Cassirer wurden auf ihn aufmerksam. Das grosse Geld machte er zwar zuerst in Wien, nämlich 1904, als er an der 19. Secession mehrere Bilder verkaufen konnte. Das war aber eine kurze Phase. In Deutschland dauerte Hodlers Erfolg bis 1914.

SFD: Weshalb diese genaue Datierung?

Monika Brunner: In diesem Jahr haben deutsche Truppen die Kathedrale von Reims beschossen. 120 Künstler, darunter auch Ferdinand Hodler, verurteilten in Genf diesen «Akt der Barbarei» in einem Protestschreiben. Hodlers Beteiligung löste in Deutschland einen Proteststurm aus. Man warf ihm Undankbarkeit vor, weil er in Deutschland gefördert und reich geworden sei. Das Wallraf-Richartz-Museum in Köln hängte Hodlers Frauenporträt ab, vor das Wandbild in Jena wurde bis 1918 eine Bretterwand angebracht und einzelne Sammler verkauften ihre Hodler-Gemälde. Nicht so allerdings die deutschen Museen. Der «Fall Hodler» dauerte bis 1918. Dann legte sich der Sturm.

SFD: Und wie war Hodlers Verhältnis zur Schweiz?

Monika Brunner: Getrübt. Hodler beklagte sich, dass er in der Schweiz zu wenig anerkannt sei. Das begann damit, dass «Die Nacht» 1891 auf Antrag des Genfer Stadtpräsidenten vor der Ausstellungseröffnung aus dem Musée Rath entfernt wurde. Dasselbe Gemälde notabene, das später in München ausgezeichnet wurde. Es folgten weitere Querelen wie der Freskenstreit im Landesmuseum in Zürich. Erst 1917, bei der ersten grossen Retrospektive mit 600 Exponaten im Kunsthaus Zürich, erlangte Hodler in der Schweiz breite Anerkennung.

SFD: Wie organisierte sich Hodler als Maler?

Monika Brunner: Er war ein Unternehmer-Künstler und als solcher sehr umtriebig. Hodler liess sich von Kritik nicht beeindrucken. Wichtig war ihm die eigene Autonomie. Er war auf sich selber gestellt und organisierte sich die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Er bemühte sich aktiv darum, an nationalen und internationalen Ausstellungen teilzunehmen, oder organisierte gar seine eigene Werkschau. Auf Anfrage von Händlern oder Sammlern malte er Motive mehrmals. So entstanden zum Beispiel von der Chexbres-Landschaft oder vom Holzfäller mehrere Varianten. Das Bild «Thunersee mit Stockhornkette» führte er sogar 33 Mal aus. Gefragt waren zudem die grossen, bildwirksamen Formate. Auch darauf reagierte Hodler. Er konnte sich sehr gut verkaufen, war stolz auf sich und kämpfte um sein Ansehen.

SFD: Sie bezeichnen Hodler als «Maler der frühen Moderne». Was heisst das?

Monika Brunner: Die frühe Moderne umfasst die Zeit um 1900. Künstler dieser Zeit wollten sich vom Impressionismus lösen und neue Wege gehen. Einige wie Wassily Kandinsky liessen das Figürliche hinter sich, malten ungegenständlich. Hodler ging nicht so weit. Wichtig waren ihm die klare, reduzierte Form, das Ornamentale, die Farbe und scharfe Umrisse. Er blieb aber figurativ und archaisch, wobei seine letzten Bilder, etwa die Version «Genfersee mit Mont-Blanc» von 1918 eher ein Experiment mit Linien und Farben ist als eine Landschaft im klassischen Sinn. Hätte Hodler zwei Jahre länger gelebt, wäre er in seinem Abstraktionsprozess weiter gegangen.

SFD: Und Hodlers Bedeutung aus heutiger Perspektive?

Monika Brunner: Hodlers Sujets sind universell und zeitlos geblieben, denken wir an seine Darstellungen der sterbenden Valentine Godé-Darel oder an das imposante Jungfraumassiv. Zu Unrecht ist er als Nationalmaler vereinnahmt worden, dabei waren patriotische Motive für ihn marginal. Ihn interessierten andere Themen etwa die Wiederholung von Formen und Farben in der Natur, die wir noch heute beobachten können.

Verfasser: Karl Wüst, sfd

Monika Brunner, geboren in Basel, ist Kunsthistorikerin und am Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) tätig. Sie ist Mitautorin des Werkverzeichnisses «Ferdinand Hodler. Catalogue raisonné der Gemälde».

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