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Hashtag

Christian
Ruch
21.12.19 - 04:30 Uhr
BILD PIXABAY
BILD PIXABAY

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

In andächtiger Anbetung knieten die Hirten vor dem Kind in der Krippe. Da kam dem jüngsten von ihnen, nennen wir ihn David, die Idee, dass man diesen heiligen Moment doch auf Instagram festhalten könnte, Hashtag #erlösergeburt. Seine Freunde liketen und teilten das Bild. Doch dann erschien das Foto auch auf Twitter, diesmal mit dem Hashtag #krippengate. Gepostet wurde es von der Vorsitzenden des Kinderschutzbundes von Judäa, die fand, es sei ja schon aus Gründen der Hygiene das Allerletzte, sein Kind in einem Stall zur Welt zu bringen. Damit ergoss sich ein Shitstorm über Maria und Josef, von dem sie nur deshalb nichts mitbekamen, weil weder Maria noch Josef auf Twitter war. Als junge Frau postete Maria nur ab und zu was auf TikTok oder Snapchat. Josef hatte eine Facebook-Seite, war aber nicht sehr aktiv.

Auch die „Jerusalem Post“ berichtete über #krippengate. Daraufhin meldete sich ein Redaktor des „Bethlehemer Boten“ auf Twitter und postete unter dem Hashtag #keinplatzinderherberge, dass es zu der Geburt im Stall ja nur gekommen sei, weil dem jungen Paar keine andere Übernachtungsmöglichkeit zur Verfügung gestanden habe. Jetzt erfasste ein weiterer, noch viel heftigerer Shitstorm das Gast- und Hotelleriegewerbe von Bethlehem. Unter dem Hashtag #herbergsgate erregten sich Menschen aus aller Welt darüber, dass man eine schwangere Frau und ihren Partner skrupellos abgewiesen habe. Der Präsident der Tourismusdestination Nördliches Judäa gab eine nicht ganz so optimale Pressekonferenz, in der er sich zu der unglücklichen Behauptung hinreissen liess, dass das junge Paar sich ja wohl kaum einen Platz in der Herberge habe leisten können. Das machte alles nur noch schlimmer. Die Hotels und Pensionen in Bethlehem sahen sich nun empörten Kommentaren auf TripAdvisor ausgesetzt und es kam zu massenhaften Buchungsstornierungen. Das Fünf-Stern-Hotel „Bethlehem Palace“ sah sich schliesslich sogar genötigt, Maria und Josef ein Wellness-Weekend in der Salomo-Suite zu schenken. Da war das Paar allerdings schon in Ägypten.

Der Hirtenjunge David aber war traurig. Alle waren immer irgendwie wütend. Dabei hatte er auf Instagram doch nur eine frohe Botschaft verbreiten wollen.

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