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Lockerungen

Christian
Ruch
30.05.20 - 04:30 Uhr

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

Als ich unlängst am Bahnhof Chur vorbeikam, hatte ich Tränen in den Augen – stand da doch tatsächlich ein deutscher ICE! Für uns Ferrosexuelle, denen in den letzten Wochen das reduzierte Fahrplanangebot jegliche Ferroviallibido raubte, ein wunderbarer Anblick. Und wenn der ICE jetzt wieder jeden zweiten Tag ausfallen und durch Rumpelzügli aus den 80-ern ersetzt werden sollte, ist es fast wie in der guten alten Zeit.

Ja, es geht gerade sehr schnell mit den Lockerungen, was mich bei aller Freude leider ziemlich überfordert. Dass Bergbahnen und Erotikbetriebe wieder öffnen dürfen, habe ich verstanden. Doch wird die Schweiz dank Lockerung jetzt so locker, dass wir auch mit Erotikbetrieb in der Bergbahn um Gäste buhlen dürfen? Man weiss es nicht. Immerhin verfügen nun auch Erotikbetriebe über ein beeindruckendes Schutzkonzept. Es erlaubt nur noch Leibesübungen, bei denen «zwischen den Köpfen der beiden Personen ein Abstand von mindestens einer Unterarmlänge» besteht. Viele Männer dürften heilfroh sein, dass nur zwischen den Köpfen eine Unterarmlänge sein muss, gälte das auch für die unteren Körperregionen, würde das ihre Ausstattung wohl schnell überfordern.

Allerdings befürchten viele Kunden, dass nun im entscheidenden Moment beflissene BAG-Beamte im Etablissement auftauchen und mit ihren Unterarmen dafür sorgen, dass der frühere körperliche Nah- einem amtlich bewilligten Fernverkehr weicht. «Nichts gegen Herrn Koch», so der bekennende Puffgänger Ruedi H. (56, verh.), «aber es gibt Situationen, wo man ihn nicht unbedingt sehen will». Doch Herr H. kann ganz beruhigt sein: Daniel Koch ist ja jetzt im wohlverdienten Ruhestand. Was mich wiederum beunruhigt. Denn wer macht uns zukünftig darauf aufmerksam, dass Grosseltern ihre Enkel dann nicht hüten und umarmen dürfen, wenn die Zahl der Enkel, wie in Teilen Graubündens oft noch üblich, die 300 übersteigt?

Herr Koch, Sie werden uns fehlen. Ohne Sie ist Pandemie irgendwie doof. Aber vielleicht sieht man Sie ja mal im Zug. Vielleicht sogar in einem ICE-Ersatzrumpelzügli, in denen sich die Fenster öffnen und virenlastige Aerosole verwirbeln lassen. Nie war antikes SBB-Rollmaterial so wertvoll wie heute! Findet auch der Herr Koch.

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