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Wochen der Folter

Valerio
Gerstlauer
14.07.17 - 10:00 Uhr
YANIK BÜRKLI

In loser Folge berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Medienfamilie Südostschweiz aus ihrem journalistischen Alltag. Willkommen in unserem Glashaus!

Neulich fragte mich eine Redaktionskollegin halb amüsiert, halb besorgt, ob ich derzeit so etwas wie meine Feuertaufe erlebe. Sie spielte damit auf Stephan Kunz’ Zurückstufung vom Direktor des Bündner Kunstmuseums zum Hauptkurator an. Der Entscheid von Regierungsrat Martin Jäger löste in der Folge eine Kaskade von Reaktionen und Gegenreaktionen aus, die von der Kulturredaktion in etlichen Artikeln dargelegt und in Kommentaren eingeordnet werden wollten.

Zugegebenermassen verdutzte mich die Frage im ersten Moment. Im Laufe der vergangenen zwölf Jahre schrieb ich für die «Südostschweiz» schon oft über heikle Themen aus der Bündner Kulturszene – immer wieder galt es, die bestinformierten Auskunftspersonen zu finden oder die eigene zugespitzte Meinung bisweilen wie eine Monstranz vor sich herzutragen.

Dennoch traf meine Redaktionskollegin mit ihrer Frage den Kern der Sache. Die sogenannte Causa Kunz schlägt derart hohe Wellen wie kaum eine andere regionale Kulturstory zuvor. Seit einem Monat reisst der Strom der Leserbriefe nicht ab. Diese treffen nicht nur aus Graubünden, sondern auch aus vielen anderen Kantonen ein. Kunz’ Absetzung ist zudem in Chur noch immer Stadtgespräch Nummer 1: Bekannte sprechen einen an, um ihre Verwunderung und ihren Frust über den Entscheid Jägers kundzutun. Und alle warten gespannt darauf, was bei der Analyse durch Mediator Hans Hatz herauskommt. Wird Kunz wieder als Direktor eingesetzt oder wagt Jäger den offenen Kampf mit den Kulturschaffenden, indem er auf seinem ursprünglichen Entscheid beharrt?

Zur «Feuertaufe» gehört also vor allem, dass einem die Causa Kunz täglich während der Arbeit, aber auch in der Freizeit im Kopf herumspukt. Dies gilt es auszuhalten. Sich emotional abzugrenzen, wird dabei umso dringlicher, als man die Betroffenen zum Teil persönlich kennt und schätzt. Sie sind es, die die eigentliche «Feuerprobe» zu bestehen haben: Die vergangenen Wochen müssen ihnen wie Folter vorgekommen sein. So hoffe ich denn um ihretwillen, dass die Causa Kunz möglichst bald ad acta gelegt werden kann.

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