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Die Signora von St. Moritz

Hans Peter
Danuser
18.06.19 - 04:30 Uhr
ZVG

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

St. Moritz im Engadin ist ohne jeden Zweifel ein Ferienort der Sonderklasse: Natur, Infrastruktur, die Marke, Tradition – das Meiste stimmt. Was aber oft vergessen wird – und im Feriengeschäft matchentscheidend ist, sind die Menschen, die hier sind und das Ambiente, die Identität sowie das Image des Orts prägen: Gäste, Ein- und Zweitheimische, Pendler, der ganze Mix, der die gute Million Passanten ausmacht, die jährlich ein- oder mehrmals die Rolltreppe der St. Moritzer Design Gallery benutzen.

Und St. Moritz zieht in der Tat ganz spezielle Menschen an, die sich hier wohlfühlen und entfalten. Der typische «St. Moritzer» - Frauen wie Männer, Gäste wie Hiesige – ist Individualist, tüchtig auf seinem Gebiet, qualitätsaffin, anspruchsvoll, aber auch grosszügig, wenn die Leistung stimmt. St. Moritz und das Engadin sind seit je Treffpunkt von Geistesgrössen, Archetypen der Kunst, Dichtung, Musik, aber auch genialen Unternehmern, die hier Inspiration gefunden und Energie getankt haben und weiter tanken.

Dass das im Engadin auch im kleineren Massstab und ohne «goldenen Löffel der Geburt» möglich und gar typisch ist, zeigt das Beispiel von Maura Wasescha, das ich in den gut 40 Jahren meiner Zeit in St. Moritz mitverfolgt habe.

Maura ist in Norditalien aufgewachsen und hat die Hotelfachschule in Bormio/Veltlin absolviert. 1978 wanderte sie in die Schweiz aus und arbeitete einige Jahre im Service, als Reinigungskraft, Übersetzerin oder Aid du Patron. 1981 erhielt sie bei Interhome eine Stelle als Putzfrau und Übersetzerin, und als solche lernte ich sie im Kurverein St. Moritz kennen.

Ich war dort seit drei Jahren Direktor und liess mich an der ITB in Berlin von Bruno Franzen überzeugen, Interhome ins Engadin zu holen und im Parterre des Gemeindehauses bei uns ein Büro zu stellen. Maura engagierte sich mit voller Energie für ihre Stelle bei Interhome. Franzen bot ihr 1983 eine Bürostelle an und hielt Maura im Auge. 15 Jahre später war sie Geschäftsführerin von Interhome St. Moritz mit sechs Mitarbeiterinnen und einem Pool von knapp 80 Reinigungskräften. Mit einem Umsatz von 5,3 Millionen Franken war St. Moritz damals die erfolgreichste Aussenstelle der Interhome Schweiz. Maura wurde mehrfach als beste Verkäuferin ausgezeichnet.

1998 gründete sie die Einzelfirma «Maura Wasescha» mit dem Zweck, Luxusimmobilien inkl. aller Services an ein Publikum zu vermieten, das sich das wünscht. 2006 wandelte sie die Firma in eine AG um und eröffnete ein Büro in Zürich. Die nächsten zwölf Jahre waren geprägt von wirtschaftliche Expansion und Diversifikation in benachbarte Segmente des Luxus-Ferien-Bereichs: «St. Moritz Award», Mitautorin des Kommunikationsbuchs «Sprechen oder Schweigen», Mitbegründerin der Kooperation «meand – Luxus-Immobilien»: Beratung von der Idee bis zur Schlüsselübergabe; Gründung der «MW & Partners Ltd» in Delaware/USA, Gründung «Maximum Wellbeing»SA – Leader in Luxus Interior Design; Gründung MWRN Handycraft&Engineering S. A. für Luxusprodukte höchsten Standards ….

ZVG

Maura ist eine Vollblut-Unternehmerin und mag keine halben Sachen. Seit sie selbstständig ist, besucht sie jährlich gezielt Weiterbildungskurse in Leadership/Unternehmensführung, Zeitmanagement bei führenden Instituten – was sich nicht zuletzt in ihrem exzellenten Branding/Markenauftritt niederschlägt. Maura Wasescha ist aber nicht nur «La Signora» und Geschäftsfrau, sondern auch Mutter durch und durch. Sie hat drei Söhne, eine Tochter und zwei Enkelkinder. Ihr Mann, ein ehemaliger Verlagsmitarbeiter der «Engadiner Post», besitzt und leitet heute in Bern ein Druckereiunternehmen.

Wie Maura das alles unter einen Hut bekommt, ist mir ein Rätsel. Denn sie muss sich gerade im Engadin gegen harte Konkurrenz behaupten: Sotheby’s Real Estate, Engel&Völkers, einheimische Platzhirsche … Aber sie ist ein begnadetes Verkaufstalent und streckt ihre Fühler bis Mauritius im Indischen Ozean aus. Ihr Credo und schlagendes Argument bei kosmopolitischer Kundschaft auf aller Welt: «Was bedeutet Luxus, wenn man keine Zeit hat, ihn zu geniessen?»

Sie sagt es auch mir – und fährt mit ihrem Tesla für eine Woche Wellness-Ferien an den Gardasee, um Energie für ihren runden Geburtstag zu tanken.  

PS: Im aktuellen, wirklich gelungenen St. Moritz Travel Guide Sommer 2019 ist im Kapitel «5 Star Hotels» ein Kurzporträt und Interview von und mit Maura Wasescha zu lesen: «Von der Putzfrau zur Immobilienkönigin». Dort verrät sie ihr zweites Motto, das ihr Leben bestimmt: «Non mollare mai – niemals aufgeben oder lockerlassen.»

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