×

Wie aus Schellen-Ursli eine Bündner Marke wurde

Hans Peter
Danuser
14.11.17 - 04:30 Uhr
Schellen-Ursli
Eröffnung des neuen Schellen Ursli Hauses im Europapark in Rust am 11.05.16. Michael Mack freut sich mit Gästen aus der Schweiz über die Eröffnung des Schellen-Ursli Hauses im Europa-Park. (v.l.n.r. Künstler des Europa-Park, Simon Chönz, Peter Reichenbach

Hans Peter Danuser und Amelie-Claire von Platen sind im Engadin zu Hause und zeigen uns ihren Blickwinkel. Was bewegt Land und Leute? Wo ist das Engadin stark und wo hinkt es einzelnen Mitbewerbern hinterher? Und was geschieht auf politischer Bühne? Der Blog «Engadin direkt» berichtet persönlich und authentisch.

Im Forum Schweizer Geschichte Schwyz / Schweizerischen Nationalmuseum findet bis 11. März 2018 eine faszinierende Ausstellung statt: «Alois Carigiet – Kunst, Grafik & Schellen-Ursli». Sie hat vor einiger Zeit bereits im Landesmuseum in Zürich Furore gemacht. Das Forum hat dazu vor Ort ein attraktives Veranstaltungsprogramm auf die Beine gestellt, in dem viele Bündner auftreten: Iso Camartin, die Fränzlis da Tschlin, Flurin Caviezel, Anna Seranda Campell, Merina Puoger, Rico Franc Valär, ...

Ich selbst führte letzten Sonntag durch die Ausstellung und ging dabei der Frage nach, wie aus Carigiets Schellen-Ursli eine so starke Bündner und Schweizer Marke werden konnte. Dazu hier eine Kurzfassung für alle, die nicht kommen konnten.

«Hoch oben in den Bergen, weit von hier, da wohnt ein Büblein, so wie ihr». Mit diesem Satz beginnt Selina Könz die Geschichte von Schellen-Ursli.  Er sagt sofort, worum es geht: die Geschichte eines Buben in den Bergen, erzählt für Kinder in der Stadt (Zielpublikum), 1945 im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs. Die Geschichte und die geniale Art ihrer Präsentation durch die Künstler Carigiet und Könz bildet die perfekte Basis für das Entstehen einer starken Marke in den bewegten Jahren der Nachkriegszeit: die heile Bündner Bergwelt und die Kultur der rätoromanischen Schweiz als positiver Kontrast zu Verstädterung, Technisierung, Entfremdung in der modernen Welt. Sie spielt in Guarda, Engadin, Graubünden, Schweiz, und zwar im Winter und endet mit dem Chalandamarz, einem alten Brauch, der den Frühling ankündigt, das Erwachen der Natur, Sonne, Wärme, Glück.

Die Marke Schellen-Ursli steht heute für Natur (Schönheit, Reinheit), Kultur, Tradition, Familie, Mensch und Tier, Authentizität, Swissness. Sie vermittelt aber auch Werte wie Solidarität, Gerechtigkeit, Mut und Willen, ein schwieriges Ziel zu erreichen. Es gibt viele Bücher und Titelhelden, die wichtige Werte der Schweiz und Swissness verkörpern (Verlässlichkeit, Qualität, Freiheit, …), aber nur wenige sind zu so bekannten Marken geworden wie Schellen-Ursli und Heidi.

Das liegt an der weltweiten Kommunikation der Geschichte durch die Medien Buch, Film, TV und -  seit gut zwanzig Jahren – Internet. «Schellen-Ursli» liegt allein in Deutsch bereits in 32. Auflage vor (2015) und ist in vielen weiteren Sprachen erschienen. Entscheidend für die Markenbildung war aber sicher der Kurzfilm «Schellen-Ursli», den die Condor Film AG 1964 für den damaligen Verkehrsverein Graubünden drehte. Er war hervorragend gemacht, knapp 15 min. lang und enthielt spektakuläre Landschafts- und Tiefaufnahmen – ein perfekter «Beiprogramm-Film», wie sie damals mit Spielfilmen, Wochenschau und Werbefilmen zu abendlichen Kinoprogrammen zusammengestellt wurden: in Europa (inkl. Ostblock), Großbritannien, USA, Asien und Lateinamerika.

Gemäss P. C. Fueter, dessen Vater die Condor Film AG gegründet und Jahrzehnte lang erfolgreich geführt hatte, gelang es damals, den «Schellen-Ursli-Streifen» mit einem amerikanischen Blockbuster (Erfolgsfilm)zu koppeln, wodurch er weltweit ein Millionenpublikum erreichte. Er erzielte damit bei minimalen Kontaktkosten eine einzigartige, mit kaum einem anderen (viel teureren) Werbeträger vergleichbare Wirkung.

Mit dem Spielfilm «Schellen-Ursli» von Xavier Koller, Produktion C-Films AG und La Siala GmbH (2015), erfuhr die Marke «Schellen-Ursli» ein weiteres Mal eine starke Verbreitung und Beachtung, nicht zuletzt auch dank der Zusammenarbeit mit Sponsoren, einem bedeutenden Merchandising und dem Bau eines Schellen-Ursli-Haus und einer Schellen-Ursli-Achterbahn im Europa Park, Rust/Deutschland.

«Schellen-Ursli» ist heute in Substanz und Bekanntheit so stark, dass er im Bündner Marken-Portfolio in Augenhöhe mit Heidi, Giacometti, Bernina und dergleichen figuriert. Besonders wertvoll ist die Marke natürlich für das Engadin. Guarda hat diesen Juli einen äusserst attraktiven Schellen-Ursli-Weg eingeweiht, der harmonisch in die Landschaft eigebettet ist und Gross und Klein begeistert. Und sogar das mondäne St.Moritz bietet seit bald 20 Jahren einen Themenweg gleichen Namens an, der vom Ski-WM-Zielraum auf Salastrains hinab ins Dorf führt – und dabei Heidis Blumenweg kreuzt.

P. S.: Die Condor-Filme der Familie Fueter, die Konzertreisen der Zürcher Geschwister Schmied (Restaurant Kindli) sowie Schweizer Musiker wie Teddy Stauffer, Vico Torrinani, Hasy Osterwald und Pepe Linhard haben – zusammen mit der legendären «fliegenden Bank» Swissair in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts massgebend zum positiven Inhalt und der globalen Bekanntheit der Marke Schweiz und ihrer Swissness-Werte beigetragen.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.