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Ein ganz besonderes Ereignis

Viola
Cadruvi
06.01.20 - 04:30 Uhr
Trotz Netflix und Co. geht kaum etwas über einen Besuch im Kino.
Trotz Netflix und Co. geht kaum etwas über einen Besuch im Kino.

Das Zusammenleben der Sprachen und Kulturen in Graubünden: Das ist das Thema der Kolumne «Convivenza», die wöchentlich in der «Südostschweiz» und der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» publiziert wird.

Vor Kurzem habe ich eine Bekannte, die ich erst gerade kennengelernt habe, gefragt, ob sie mit mir ins Kino komme. Einfach so, sie könne den Film aussuchen. Ich habe jedoch einen Korb bekommen. «Weisst du, ich gebe generell kein Geld für Filme aus», war die Antwort. Meine erste Reaktion war, mich alt zu fühlen. Die Bekannte ist nämlich ungefähr sechs Jahre jünger als ich. War das nun also eine Generationensache? Warum hat mich denn niemand über diese neue Mode informiert?

Auch habe ich mich ein wenig über die Aussage im Allgemeinen geärgert. Was ist denn das für eine Einstellung, nicht für einen Film bezahlen zu wollen? Sind das nun die Folgen von Streamingdiensten wie Netflix und Co.? Aber auch die muss man schliesslich bezahlen, auch wenn der Preis pro Film bei Netflix je nach Konsum natürlich viel kleiner ist, weil man pro Monat und nicht pro Film bezahlt. Wenn man also genug Filme pro Monat schaut, erstaunt es wohl weniger, dass das Kino teuer erscheinen mag.

Allerdings kann man auch schon lange Musik zu Hause hören, auch über Streamingdienste, und trotzdem gehen die Leute noch an Konzerte und bezahlen sogar einiges mehr dafür als für den Kinobesuch. Natürlich ist das schon ein bisschen, was anderes. Bei Konzerten gibt es normalerweise eine Show, die man zu Hause beim Musikhören nicht sieht, oder zumindest sieht man die Performance der Künstler auf der Bühne. Klar, kann man sich auch Konzertaufnahmen auf Youtube anschauen, aber generell ist jedes Konzert einzigartig. Musiker können einen guten oder schlechten Tag haben und je nachdem performen – zumindest wenn sie live spielen und nicht Play-back.

So kann man wahrscheinlich sagen, dass jedes Konzert ein einzigartiges Ereignis ist – anders als ein Film, der sich nicht mehr verändert, wenn er mal geschnitten ist. Dieser ist bei jeder Vorstellung gleich. So gesehen muss ich eingestehen, dass meine Bekannte eigentlich recht hat. Warum sollte man für einen Film bezahlen, den man sich genauso gut auch zu Hause anschauen kann? Vielleicht sieht man ihn im Kino ein bisschen früher, aber das ist wahrscheinlich nur für die ganz grossen Fans wirklich wichtig…

Trotzdem, als ich dann an jenem Abend schliesslich allein im Kino sass, versunken im weichen, mit rotem Samt überzogenen Sessel und eine grosse Tüte Popcorn auf den Knien, musste ich feststellen, dass es beim Kinobesuch eben nicht nur darum geht, einfach einen Film zu schauen. Es ist auch ein Ereignis. Man sitzt da, wartet darauf, dass die Werbung zu Ende geht, schaut sich die Trailer der neuen Filme an und geniesst die Vorfreude auf den Film. Und wenn es dann losgeht, kann man ihn nicht einfach mal kurz anhalten, wenn man aufs Klo muss, oder zurückspulen, wenn man gerade nicht aufgepasst hat. Ins Kino gehen bedeutet, sich wirklich auf einen Film einzulassen.

Und plötzlich hatte ich Mitleid mit meiner Bekannten, die nun wohl zu Hause vor ihrem kleinen Laptop sass und irgendeine Serie guckte, die ihr der Netflix-Algorithmus vorgeschlagen hatte, und gleichzeitig wohl auf ihrem Handy herumdrückte. Das nächste Mal lade ich sie einfach ein. Ein besonderes Ereignis ist nämlich immer noch besser, wenn man es mit anderen teilt.

*Viola Cadruvi hat Germanistik, Geschichte und Rätoromanisch an der Universität Zürich studiert. Manchmal arbeitet sie an ihrer Dissertation und manchmal als Lehrerin, aber fast immer schreibt sie.

 

In eveniment tut spezial

Da Viola Cadruvi*

Dacurt hai jau dumandà ina collega che jau n’enconusch anc betg uschè ditg, sch’ella vegnia cun mai a kino. Simplamain uschia, ella possia era tscherner il film. Jau hai dentant survegnì in chanaster. «Sas, jau na dun en general betg ora daners per films», ha ella respundì. Mia emprima reacziun: jau sun ma sentida veglia. La collega è numnadamain circa sis onns pli giuvna che jau. È quai ussa forsa ina chaussa da generaziuns? Pertge na m’ha nagin infurmà davart questa nova moda?

Insumma m’ha ses messadi en general vilentà. Tge tenuta è quai da betg vulair pajar per guardar in film? Èn quai ussa las consequenzas dals servetschs da streaming sco netflix e co.? Ma era là ston ins la finala pajar, era sch’il pretsch per film è tar netflix tut tenor consum natiralmain bler pli pitschen, perquai ch’ins paja per mais e betg per film. Sch’ins guarda pia avunda films en in mais, lura na fai forsa betg pli surstar ch’il kino para da custar bler.

Ma ins po gea era gia daditg tadlar musica a chasa, era via servetschs da streaming, e tuttina va la glieud anc a concerts e paja là perfin bler dapli che per ir a kino. Natiralmain è quai schon in zichel insatge auter. Tar concerts datti per il solit ina show ch’ins na vesa betg a chasa, u almain ves’ins la performance dals musicists sin tribuna. Cler ch’ins po era guardar registraziuns d’in concert sin YouTube, ma en general è mintga concert unic. Ils musicists pon avair in bun u in nausch di e chantar e sunar tut tenor auter – almain sch’els sunan live e betg playback.

Uschia pon ins probablamain dir che mintga concert è in eveniment unic – auter ch’in film che na sa mida betg pli ina giada ch’el è taglià. El è tar mintga preschentaziun il medem. Pia stoss jau conceder che mia collega ha atgnamain raschun. Pertge duess ins pajar per ir a guardar in film, sch’ins po vesair a chasa exact il medem? Forsa ch’ins al po guardar in zichel pli baud, ma quai è cartaivlamain mo per fans fanatics propi impurtant …

Tuttina, cura che ’jau seseva lura la fin finala lezza saira persula en il kino, sfundrada en il sez lom cun la surtratga da valì cotschna ed in grond satg popcorn sin la schanuglia, hai jau stuì constatar ch’ins na va betg a kino simplamain mo per guardar in film. Igl è er in eveniment. Ins sesa en il kino, spetga fin che las reclamas èn a fin, guarda ils trailers dals films novs e sa legra sin il film. E cura ch’il film cumenza na pon ins betg simplamain interrumper el, sch’ins sto spert ir sin tualetta, u far ir enavos el, sch’ins ha gist guardà sin il telefonin. Ir a kino munta da vairamain sa laschar en sin in film.

E tuttenina hai jau gì in pau cumpassiun cun mia collega che seseva a chasa davant ses pitschen laptop e guardava x ina seria ch’ils algoritmus da netflix han elegì per ella. La proxima giada l’envid jau simplamain a kino. In mument spezial è numnadamain adina anc meglier, sch’ins al parta cun auters.

*Viola Cadruvi ha studegià germanistica, istorgia e rumantsch a l’Universitad da Turitg. Mintgatant lavura ella vi da sia dissertaziun e mintgatant sco scolasta, ma bunamain adina scriva ella.

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Ich höre viel Musik, sehe gerne Serien und Filme. Nicht auf dem Labtop, sondern auf einem grossen Flachbildschirm.
Aber....
Ich erinnere mich zurück, an meine zwei ersten Kinobesuche mit meinem Götti im Apollo.
Heidi, in schwarz-weiss, mit Heinrich Gretler und mein zweiter Kinobesuch, Schatz am Silbersee, mit dem jungen Götz George, Lex Barker und Pierre Brice.
Einige Jahre später dann zum Beispiel Die Rückkehr der Jedi Ritter, mein erster STAR WARS im Kino, oder Indiana Jones Jagd des verlorenen Schatzes im Kino Davos, oder Kevin Allein zu Hause im Apollo, wo meine damalige Freundin ein GratisTicket geschenkt bekommen hat, weil sie das Kino Publikum mit ihrem Lachen zusätzlich unterhalten hat und und und ...
Ach nein, alles muss man sicher nicht im Kino gesehen haben.
Aber es gibt Erlebnisse, die hat man nur im Kino. Filme, Menschen, Tage, die spezeiell in Erinnerung bleiben.
Schade, was sie wohl alles verpasst.