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Maria Theresias verlorene Weisheit

Südostschweiz
18.06.18 - 04:30 Uhr

Das Zusammenleben der Sprachen und Kulturen in Graubünden: Das ist das Thema der Kolumne «Convivenza», die wöchentlich in der «Südostschweiz» und der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» publiziert wird.

Von Paolo G. Fontana

Man bleibt sicherlich ohne Worte, wenn man liest, einige Stimmen in unserem Kanton seien der Meinung, dass Romanisch und Italienisch «belanglos» seien, ohne Bedeutung. Und dass es demnach fast eine Form von Erpressung sei, die deutschsprachige Mehrheit zu bitten, ein wenig von der einen oder anderen Sprache zu erlernen. Wenn schon Italienisch bedeutungslos ist, dann versteht es sich von selbst, dass dies in einer globalen Optik auch auf die französische und – man höre – auf die deutsche Sprache zutrifft.

Man sollte also die eigenen Überlegungen auf einer anderen Ebene starten lassen, mit einem engeren, politischeren Horizont, präzis im Sinne dessen, was das Zusammenleben der Bürger angeht. «Das Schulwesen […] ist und bleibt allzeit ein Politikum»: Zumindest seit den Zeiten Maria Theresias von Österreich ist die Schule ein grundlegender Bestandteil des Zusammen-leben-Lernens. Obwohl die Absicht ziemlich klar war, Deutsch zur einenden Sprache eines äusserst heterogenen Reiches zu erheben, war es für die Herrscher ab Karl VI von Habsburg jedoch gang und gäbe, mindestens einige der Sprachen ihrer Untertanen, und darunter Italienisch, Tschechisch und Ungarisch, fliessend zu sprechen. Französisch- und Lateinkenntnisse waren selbstverständlich. Maria Theresia selbst schrieb an ihre Gouverneure und Minister in der Lombardei trotz ihrer mangelhaften Ausbildung regelmässig auf Italienisch (und dies auch ziemlich gut!), auch wenn diese deutscher Muttersprache waren. Diese Weisheit scheint heute manchmal verloren gegangen zu sein, oder man hat oft das Gefühl, dass auf diesem Gebiet keine grossen Fortschritte erzielt worden sind.

Eine Frau aus Malans zum Beispiel hat in dieser Zeitung geschrieben, dass ihre Kinder überhaupt kein Interesse am Erlernen der italienischen Sprache hätten. Sie seien zusammen mit ihren Schulfreunden von selbst zum Schluss gekommen, dass die Sprache Dantes nutzlos sei und dass die einzige Sprache die zähle – und deshalb Freude mache – Englisch sei.

Warum sollte man ihnen nicht glauben? Und doch bezweifle ich, dass diese Ableitung einzig aus ihrer Feder stammt. Ich glaube eher, dass es die Verantwortung des Schulsystems und darum der Politik ist, wenn ihre Wahrnehmung derart ist. Wie soll man die Reduktion der Italienisch- oder Romanischstunden rechtfertigen, die in der Sekundarschule bald Realität sein wird? Wie soll erklärt werden, dass dem Studium des Italienischen und Romanischen eine klar geringere Anzahl Lektionen gewidmet wird als dem Deutschpensum, das von den Schülern aus den italienisch- und romanischsprachigen Gebieten abverlangt wird? Wie lässt sich schliesslich erklären, dass Graubünden praktisch der einzige Kanton der Schweiz ist, der für den Zugang zur Oberstufe keine Prüfung in einer zweiten Landessprache verlangt, indem es allein Englisch vorzieht und es sogar für die Berechnung der Promotion ausschliesst, welche jedoch die Ergebnisse von Sport, Gesang und Zeichnen einschliesst? Warum soll – so wie es Grossrat Beat Niederer vor nunmehr zehn Jahren verlangte – noch Geld in die Förderung der Minderheitensprachen gesteckt werden, «wenn an den bedeutendsten Stellen kontraproduktive Radikallösungen praktiziert werden»?

Paolo G. Fontana, Jahrgang 1981, hat an der Universität Pavia das Doktorat in Geschichte des Föderalismus und der Europäischen Union erworben. Seit 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Pro Grigioni Italiano.

 

La perduta saggezza di Maria Teresa

Di Paolo G. Fontana

Si resta certo costernati quando si legge che alcune voci in questo Cantone ritengono che il romancio e l’italiano siano «belanglos», privi d’importanza, e che sia dunque quasi una forma d’estorsione chiedere alla maggioranza di lingua tedesca d’imparare qualcosa dell’una o dell’altra lingua. Se anche l’italiano è privo d’importanza, allora va da sé che in un’ottica globale lo debbano essere anche il francese e ancor più, si badi bene, lo stesso tedesco.

Bisogna dunque far ripartire le proprie riflessioni da un altro livello, con un raggio più ristretto, più politico, squisitamente nel senso di ciò che interessa il vivere insieme dei cittadini. «Das Schulwesen […] ist und bleibt allzeit ein Politikum»: almeno sin dai tempi di Maria Teresa, la scuola è un tassello fondamentale di questo imparare a vivere insieme. Nonostante fosse piuttosto chiara la volontà di elevare il tedesco a lingua unificatrice di un impero assai composito, per i sovrani d’Asburgo da Carlo VI in poi era però consuetudine parlare correntemente almeno alcune tra le lingue dei propri sudditi, tra cui l’italiano, il ceco e l’ungherese, oltre a conoscere naturalmente il francese e il latino; la stessa Maria Teresa, nonostante la sua lacunosa istruzione, scriveva regolarmente in italiano (e anche piuttosto bene!) ai suoi governatori e ministri in Lombardia, anche a quelli che il tedesco lo conoscevano perfettamente, come il conte von Firmian. Questa saggezza, talvolta, sembra oggi essere andata perduta o almeno, sovente, si ha l’impressione che in questo campo non siano stati fatti grandi progressi.

Una signora di Malans ha scritto su questo giornale che i suoi figli sono del tutto disinteressati all’apprendimento dell’italiano, avendo autonomamente compreso insieme ai loro compagni che, sì, la lingua di Dante è inutile e che l’unica lingua che conta – e che, pertanto, piace – è l’inglese.

Come non credergli? Eppure dubito che questa deduzione sia tutta farina del loro sacco. Credo piuttosto che sia responsabilità del sistema scolastico e, dunque, della politica se loro possono avere questa sensazione. Come giustificare la riduzione delle ore in italiano o in romancio che presto toccherà le scuole secondarie? Come spiegare che all’italiano e al romancio sia dedicato un numero di ore scolastiche ben inferiore a quello che è richiesto agli alunni del Grigionitaliano e della Romancia per lo studio del tedesco? Come giustificare, infine, che il Grigioni sia praticamente l’unico cantone in Svizzera a non esaminare la conoscenza di una seconda lingua nazionale per l’accesso alle scuole medie superiori, preferendole il solo inglese ed escludendola persino dal computo del voto di passaggio, in cui sono invece inclusi i risultati in ginnastica, canto e disegno? Perché – come chiese il granconsigliere Beat Niederer ormai dieci anni fa – investire ancora soldi nella promozione delle lingue minoritarie «wenn an den bedeutesten Stellen kontraproduktive Radikallösungen praktiziert werden»?

Paolo G. Fontana, classe 1981, ha conseguito il dottorato in Storia del federalismo e dell’unificazione europea presso l’Università di Pavia. Dal 2014 è collaboratore scientifico della Pro Grigioni Italiano

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