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Die Weisheit der Jungen

Südostschweiz
12.03.18 - 04:30 Uhr
PIXABAY

Das Zusammenleben der Sprachen und Kulturen in Graubünden: Das ist das Thema der Kolumne «Convivenza», die wöchentlich in der «Südostschweiz» und der romanischen Tageszeitung «La Quotidiana» publiziert wird.

Von Claudio Losa

Jeden Herbst nehmen die Studenten der 4. Klasse der Bündner Kantonsschule am Projekt «Dreisprachiges Graubünden» teil. In den ihnen zur Verfügung stehenden fünf Tagen haben die Studenten Gelegenheit, die verschiedenen Sprachgemeinschaften des Kantons kennenzulernen. Im vergangenen Oktober habe ich eine Klasse ins Misox begleitet. Drei Tage lang konnten die ausschliesslich deutschsprachigen Kantonsschüler den Lebensalltag eines italienischsprachigen Tals erleben. Unser Aufenthalt in Soazza war für sie vor allem eine Gelegenheit, zusammen zu sein, sich zu vergnügen und meine Schlafdauer zu verkürzen. Allerdings waren die Tage in Soazza, vielleicht nicht für alle, aber bestimmt für einige ein Moment der Reflexion über die italienische Sprache und über die sprachlichen Minderheiten.

Diese Themenwoche führte zu drei Erkenntnissen, und alle drei wurden in den Video-Tagebüchern festgehalten, welche die Jungen und Mädchen während unseres Ausflugs geführt haben. Die erste Feststellung wird mit den Worten einer Studentin definiert, welche die angenommene Nutzlosigkeit des Italienischunterrichts neu beurteilt. Nach einem Treffen mit den Studenten des Gymnasiums Mendrisio, mit denen wir ein ganzes Schuljahr lang virtuell Kontakt hatten, wandelte sich Italienisch von einer mit wenig Motivation studierten und oft als fern und unbrauchbar wahrgenommenen Sprache zum wesentlichen Vehikel für die Kommunikation und das Verständnis. Der Kontakt mit gleichaltrigen Tessinern hat es geschafft, dem Italienischunterricht einen Sinn zu verleihen und einmal mehr die Wichtigkeit von Sprachaustauschprogrammen zu bestätigen.

Beim Update seines Tagebuchs stellt ein Student jedoch fest, dass er besser Italienisch kann, als er dachte. Oft haben die Studenten das Gefühl, dass sie beim Erlernen der zweiten Sprache keine Fortschritte machen. Dies kommt sicherlich von der geringeren Exposition gegenüber der italienischen Sprache und vielleicht auch von der Konkurrenz des Englischen (dessen Bedeutung und Faszination niemand infrage stellen will). Dieses Gefühl der Starrheit entspricht jedoch nicht immer den Tatsachen. Wenn das Bedürfnis nach Verständigung dringlich wird, wagt man mehr und überwindet die Schüchternheit «des Klassenzimmers». In der Wirklichkeit der Interaktion erweist sich die erlernte Sprache, welche man in der Schule höchstens gebrochen spricht, als solider und weniger ungenau. 

Die dritte und meiner Meinung nach bezeichnendste Erkenntnis ist jene eines Mädchens, das sich nach Abschluss der Woche an einer Reflexion über das Verhältnis zwischen Haupt- und Minderheitensprachen des Kantons versucht hat. Während unseres Aufenthalts im Misox haben die Betreuer unserer Treffen ihre Präsentationen in Deutsch gehalten, um das Verständnis für die Studenten zu vereinfachen. Von dieser freundlichen Geste ausgehend stellt die Schülerin fest, dass alle unsere Führer die deutsche Sprache sehr gut beherrschen, obwohl ihre Muttersprache Italienisch ist. Ihre Analyse beschränkt sich nicht auf diese Tatsache, sie reicht weiter. Das Mädchen fügt hinzu, dass die Deutschsprachigen es als selbstverständlich betrachten, dass es immer die Vertreter der Minderheitssprache sind, welche sich der Mehrheit anpassen müssen. Angesichts dieser Feststellung würde ich sagen, dass der Zweck der Themenwoche erreicht wurde.

Die Sensibilität gegenüber den sprachlichen Minderheiten ist sehr wichtig. 2018 wird ein schwieriges Jahr für die Sprache Dantes. Die hoch angesehene Bündner Dreisprachigkeit wird nämlich nächstens wieder von einer Volksinitiative infrage gestellt, welche unter anderem gegenüber den jungen Italienischbündnern äusserst diskriminierend ist. Da sind die Beobachtungen der Studenten höchst willkommen. Wenn die Minderheiten sich oft der Mehrheit anpassen müssen, kann man doch von der Mehrheit einen Akt der Solidarität verlangen, damit die Kommunikation zwischen den Regionen des Kantons nicht immer und ausschliesslich auf Deutsch stattfindet? Die Älteren haben die Weisheit nicht für sich gepachtet: Manchmal liegt sie auch bei den Überlegungen der Jugendlichen.

Claudio Losa unterrichtet an der Bündner Kantonsschule Italienisch und ist Vorstandsmitglied der Pro Grigioni Italiano.

 

La saggezza dei giovani

Di Claudio Losa

Ogni autunno le quarte classi della Scuola cantonale partecipano al progetto «Grigioni trilingue». Nei cinque giorni a loro disposizione gli studenti hanno l’opportunità di conoscere meglio le diverse comunità linguistiche del Cantone. Lo scorso mese di ottobre ho accompagnato una classe in Mesolcina. Per tre giorni gli allievi, tutti tedescofoni, hanno potuto assaporare la quotidianità della vita in una valle di lingua italiana. Il nostro soggiorno a Soazza è stato per loro soprattutto l’occasione di stare insieme, di divertirsi e di raccorciare le mie ore di sonno. Tuttavia, il soggiorno è anche stato, forse non per tutti ma di sicuro per alcuni, un momento di riflessione sull’italiano e sulle minoranze linguistiche.

Tre sono le «epifanie» di questa settimana tematica e tutte e tre sono state affidate ai video-diari che i ragazzi e le ragazze hanno tenuto durante la nostra gita. La prima constatazione si riassume nelle parole di una studentessa che rivaluta la presunta inutilità dell’apprendimento dell’italiano. Dopo un incontro con gli studenti del Liceo di Mendrisio, con cui siamo stati in contatto virtuale per un intero anno scolastico, l’italiano, da lingua studiata con poca motivazione e spesso giudicata distante e inutilizzabile, è diventato essenziale per la comunicazione e la comprensione. Il contatto con i compagni ticinesi è riuscito a dare un senso all’apprendimento dell’italiano, confermando una volta di più l’importanza degli scambi linguistici.

Nel suo aggiornamento diaristico un allievo riscontra invece di sapere l’italiano meglio di quanto pensasse. Spesso gli studenti avvertono di non progredire nello studio della seconda lingua. Questo è sicuramente dovuto alla minore esposizione all’italiano e forse anche alla concorrenza dell’inglese (la cui importanza e il cui fascino nessuno intende mettere in dubbio). Tuttavia, questa impressione di staticità non corrisponde sempre alla realtà dei fatti. Quando il bisogno di farsi capire si fa impellente, si osa maggiormente e si supera la timidezza «da aula scolastica». Nella realtà dell’interazione la lingua d’apprendimento, che a scuola si biascica appena, si rivela più solida e meno imprecisa.

La terza epifania, e a mio avviso la più illuminante, è stata quella di una ragazza che, a settimana ultimata, si è cimentata in una riflessione sul rapporto tra la lingua maggioritaria e le lingue minoritarie del Cantone. Durante la nostra permanenza in Mesolcina, per facilitare la comprensione degli allievi, i relatori dei nostri incontri hanno fatto le loro presentazioni in tedesco. Prendendo spunto da questo gesto di gentilezza, la ragazza osserva che tutte le nostre guide, pur essendo di madrelingua italiana, padroneggiano molto bene il tedesco. La sua analisi non si limita a questo e va oltre. I tedescofoni, aggiunge, danno per scontato che siano sempre i parlanti della lingua minoritaria a doversi adattare alla maggioranza. Di fronte a questa presa di coscienza direi che lo scopo della settimana tematica è stato raggiunto.

La sensibilità nei confronti delle minoranze linguistiche è molto importante. Il 2018 sarà un anno difficile per la lingua di Dante. Il tanto blasonato trilinguismo grigione, infatti, sarà prossimamente rimesso in discussione da un’iniziativa popolare che risulta, tra le altre cose, fortemente discriminatoria nei confronti dei giovani grigionitaliani. E allora ben vengano le osservazioni fatte dagli studenti. Se le minoranze devono spesso adattarsi alla maggioranza, perché non chiedere alla maggioranza un atto di solidarietà affinché la comunicazione tra le parti del Cantone non avvenga sempre e solo in tedesco? La saggezza non sempre sta dalla parte degli anziani: a volte si trova anche nei ragionamenti degli adolescenti.

Claudio Losa insegna italiano presso la Scuola cantonale grigione ed è membro del Consiglio direttivo della Pro Grigioni Italiano.

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