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Im Churer Stadtpark wird es wieder geschmeidiger

Die Coronakrise hat uns alle getroffen. Jeden auf einer anderen Art und Weise. Speziell war die Situation auch für Suchtkranke – und sie ist es immer noch.

18.06.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Stadtpark Chur
Im Churer Stadtpark treffen sich suchtkranke Menschen gerne – auch während Coronazeiten.
Theo Gstoehl / ARCHIV

Der Churer Stadtpark ist ein spezieller Ort. Oft riecht es nach Zigaretten und Dosenbier und man hört Gelächter. Der Stadtpark ist seit vielen Jahren bekannt als Ort der Drogenszene. Randständige und Süchtige ziehen sich gerne in ihren Gruppen zurück, tauschen sich aus, beschaffen sich dort ihre Drogen und konsumieren sie.

Seit die besonderen Massnahmen wie Abstands- und Hygieneregeln im Zusammenhang mit dem Coronavirus Einzug hielten, wurde aus dem sonst «friedlichen» Churer Stadtpark ein anderer Ort. Ein Ort mit vielen Konflikten, wie Emil Gartmann, Abteilungsleiter Verkehrs-und Sicherheitspolizei von der Stadtpolizei Chur gegenüber Radio Südostschweiz sagt. «Die Suchtkranken waren dünnheutiger im Umgang untereinander, gegenüber der Polizei und gegenüber Passanten. Es war lauter und es gab Anremplungen.»

Die Sucht steht im Vordergrund

Die Situation sei für die Suchtkranken sehr herausfordernd gewesen. Auf der einen Seite haben sie ihre Sucht, die als Krankheit zu verstehen sei. Auf der anderen die Polizei im Nacken, die sie auf die Abstands-und Hygieneregeln hinweise. Hinzu komme noch, dass viele auch an anderen Krankheiten litten und dadurch zur Risikogruppe zählen würden, führt Gartmann aus. Das kann ein geschwächtes Immunsystem sein, Hepatitis oder auch HIV.

Trotz der schwierigen Situation war es das Ziel der Polizei sowie der anderen Einrichtungen wie beispielsweise den sozialen Diensten in Chur und der Überlebenshilfe Graubünden, den Schutz der Stadtparkbesucher zu gewährleisten. Aufgrund des Versammlungsverbots wurden am Anfang nur noch 15 Personen in den Stadtpark gelassen, was sich schnell als zu wenig herausstellte. Kurz darauf wurde der Stadtpark mit Gittern unterteilt, damit mehr Menschen reingelassen werden konnten, erklärt Gartmann. Dennoch blieb die Situation angespannt. Trotz Auseinandersetzungen beruhigt Gartmann aber: «Es ist nicht so, dass es wirklich zu gefährlichen Situationen oder zu Übergriffen kam.»

Die Neumühle musste die Abgaben aufteilen

Szenenwechsel. In der Nähe des Churer Bahnhofs befindet sich das Ambulatorium Neumühle. Es ist eine staatlich anerkannte Abgabestelle, an der viele Suchtkranke ihre täglichen Medikamente – die Ersatzdrogen – abholen können. Beispielsweise das pharmazeutische Heroin namens Diaphin. Meistens kommen die Suchtkranken am Morgen und am Abend – jeden Tag.

Das Coronavirus, oder besser gesagt die damit einhergehenden Massnahmen, haben den Tagesablauf vieler Patienten massiv durcheinandergebracht, wie Margrith Meier, Leiterin des Ambulatoriums Neumühle, gegenüber Radio Südostschweiz sagt: «Wir mussten die gesamte Abgabe neu takten.» Eine Gruppe sei am Morgen in die Neumühle gekommen und habe die Medikamente für den Abend auch gleich mitgenommen, die andere sei am Abend gekommen und habe die Medikamente für den nächsten Tag mitgenommen. Anfangs sei dies sehr gut gegangen, mit der Zeit wurde es für einige Patienten aber schwierig. Die gewisse Struktur im Alltag fehlte. «Für jemanden, der suchtmittelabhängig ist, kann dies einfach zu Einbussen führen», so Meier.

Bei der Neumühle habe man versucht, wieder Strukturen einzuführen und die Abgabe wieder zwei Mal täglich zu öffnen. «Konstanz und Ruhe ist total wichtig, das haben wir im Moment aber noch nicht wirklich», so Meier.  

Lockerungen lösen die Anspannung im Park

Zurück im Stadtpark, wo sich die Menschen wieder vermehrt treffen können. Seitdem die Massnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus durch den Bundesrat gelockert wurden, fand nämlich auch im Churer Stadtpark eine Lockerung statt. Die Menschen würden sich wieder vermehrt treffen, so Gartmann.

Was hätte es gebraucht?

Den Misserfolg, die Massnahmen im Stadtpark konsequent einzuhalten, ruft nach einer anderen Lösung. «Es ist sehr schwierig, in einer solchen Situation die geeigneten Massnahmen zu finden und zu treffen», so Gartmann. Insbesondere, weil für die Suchtkranken die Sucht an erster Stelle stehe.

Bei Margrith Meier vom Ambulatorium Neumühle wird nach den vergangenen Monaten der Wunsch nach einem Konsumraum für Süchtige lauter. In solchen harten Zeiten würde eine Institution fehlen, in der Süchtige auch ihre illegalen Drogen unter hygienischen Bedingungen zu sich nehmen könnten. Erste Schritte wurden nun eingeleitet, sagt sie. (can)

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