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Man hört sie nicht und man sieht sie kaum, aber sie sind da

Im Frühling sind die Fledermäuse aus ihrem Winterschlaf erwacht. Niemand kennt die fliegenden Säugetiere im Kanton Glarus besser als Monica Marti aus Mollis.

Daniel
Fischli
22.04.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Auf der Pirsch: Mit dem Detektor macht Monica Marti die Fledermäuse hörbar.
Auf der Pirsch: Mit dem Detektor macht Monica Marti die Fledermäuse hörbar.
SASI SUBRAMANIAM

Meistens bemerkt man von ihnen nicht mehr als einen Schatten, der in der Dämmerung am Himmel vorbeihuscht und wieder verschwindet. Das Faszinierende an den Fledermäusen, sagt Monica Marti, sei, dass sie mitten unter uns lebten und doch fast unsichtbar blieben. «Man geht am Abend spazieren und ahnt nicht, dass es rund um einen herum von Fledermäusen wimmelt.»

Monica Marti ist Biologin und die Kantonale Fledermausschutz-Beauftragte für Glarus. Wenn sie auf die Fledermaus-Pirsch geht, und das kann auch im eigenen Garten im Molliser Oberdorf sein, hat sie ein elektronisches Gerätchen dabei, einen Fledermausdetektor. Bekanntlich orientieren sich Fledermäuse nicht mit den Augen, sondern mit den Ohren, indem sie das Echo ihrer eigenen Rufe «sehen». Martis Gerätchen übersetzt diese für Menschen unhörbaren Ultraschallrufe in tiefere Frequenzen. Wenn das Gerät Töne von sich gibt, weiss man, dass Fledermäuse in der Nähe sein müssen. Marti sagt: «Mit etwas Erfahrung erkennt man vielleicht auch noch die Art oder ob das Tier gerade am Jagen ist.»

Seit jeher keinen guten Ruf

Die Fledermäuse in unseren Breiten halten Winterschlaf. Jetzt im Frühling sind sie erwacht und können in der Dämmerung bei der Jagd auf Insekten beobachtet werden. Von manchen Leuten sind die Tiere in diesem Jahr etwas misstrauischer beäugt worden als sonst. Und die Tiere haben in der europäischen Mythologie seit Jahrhunderten sowieso schon keinen guten Ruf.

«Man geht am Abend spazieren und ahnt nicht, dass es rund um einen herum von Fledermäusen wimmelt.»
Monia Marti, Glarner Fledermausschutz-Beauftragte

Ende Januar sind in Europa die ersten Erkrankungen wegen des Coronavirus aufgetreten und die Schweizer Medien haben angefangen darüber zu berichten, dass das Virus von chinesischen Fledermäusen stammen könnte. Im März habe er vielleicht 20 Anfragen von besorgten Menschen erhalten, sagt Hubert Krättli. Er ist Geschäftsführer der Stiftung Fledermausschutz und damit so etwas wie der oberste Schweizer Fledermausschützer. «Die Leute wollten wissen, ob sie jetzt vor den Fledermäusen in ihrem Dachstuhl Angst haben müssten», sagt Krättli. Wie viele Anfragen zusätzlich bei den kantonalen Fledermausschutz-Beauftragten eingegangen seien, wisse er nicht.

Kein Nachweis von Coronaviren

«Die Frage nach der Gefährlichkeit ist berechtigt», sagt Hubert Krättli. «Aber die Antwort lautet: Nein, man muss keine Angst haben.» Seit 2019 werde von der Universität Zürich untersucht, welche Viren in den einheimischen Fledermäusen vorkommen. In mehreren Tausend Proben habe das für die jetzige Pandemie verantwortliche Sars-CoV2-Virus nie nachgewiesen werden können. «Die aktuelle Coronavirus-Pandemie hat nichts mit unseren einheimischen Fledermausarten zu tun», so Krättli. «Die Krankheit wird von Mensch zu Mensch übertragen und nicht von Fledermaus zu Mensch.»

Es gibt ein Aber: Wie jedes Wildtier kann eine Fledermaus durchaus Krankheiten übertragen. Und eine Fledermaus, die sich bedroht fühlt, kann auch zubeissen. Wenn man eine hilfsbedürftige Fledermaus finde, um sie dem Fledermausschutz in die Pflege zu geben, solle man sie deshalb nicht mit blossen Händen, sondern geschützt durch Handschuhe anfassen, rät Hubert Krättli.

Kleine schwarze Körnchen

Häufiger als eine Fledermaus, sogar wenn sie im eigenen Haus lebt, findet man deren Kot. Er liegt oft unterhalb des Fledermausquartiers, sieht aus wie schwarze Reiskörner und kann Aufschluss darüber geben, welche Art sich eingenistet hat. Die Glarner Fledermausexpertin Monica Marti hat eine kleine Sammlung der schwarzen Körnchen und nimmt gerne weitere Fundstücke entgegen. Von den 30 einheimischen Fledermausarten seien im Kanton Glarus deren 18 nachgewiesen, sagt sie. Rund 300 Fledermausquartiere seien bekannt. Alle Fledermausarten sind in der Schweiz geschützt, die meisten sind bedroht.

Die Arbeit der Kantonalen Fledermausschutz-Beauftragten besteht vor allem in der Beratung von Hausbesitzern. Denn oft drohen bei Umbauten die Fledermausquartiere zerstört zu werden. Und das kann verheerende Auswirkungen für die Tiere haben, weil sich in einem einzigen Quartier mehrere Hundert Weibchen mit ihren Jungen aufhalten können. Die Unterschlüpfe könnten aber oft mit einfachsten Massnahmen erhalten werden, sagt Marti.

Die Fledermausfahne hissen

Sorgen von Hausbesitzern wegen der Fledermäuse hat es auch schon vor Corona gegeben, wie Monica Marti berichtet. «Man macht sich vielleicht Gedanken, dass die Tiere zu einer Plage werden, dass sie Material für den Nestbau ins Haus tragen oder sogar das Haus selber beschädigen könnten.» Wie das alles eben bei den richtigen Mäusen der Fall sein kann, mit denen die Fledermäuse nicht näher verwandt sind. Marti gibt Entwarnung: Die Kolonien seien in ihrer Grösse stabil, weil die Weibchen pro Jahr nur eines oder zwei Junge gebären. Und die Tiere würden weder Nester bauen, noch Hohlräume knabbern. Bei den meisten Hausbesitzern könne sie im Gespräch die Bedenken zerstreuen, sagt Monica Marti. «Ein anfänglich besonders skeptischer ist einmal so stolz auf seine Kolonie geworden, dass er sogar eine selbst gemachte Fledermausfahne gehisst hat.»

«Die Menschen sind heute sensibilisierter. Die meisten freuen sich, wenn sie Fledermäuse in ihrem Haus finden.»

Monica Marti engagiert sich seit 30 Jahren für die Fledermäuse. Die Menschen seien heute sensibilisierter auf das Thema, sagt sie. «Die meisten freuen sich, wenn sie Fledermäuse in ihrem Haus finden.» Gegen die grösste Bedrohung hilft aber die beste Beratung von Hausbesitzern nichts: Fledermäuse fressen Unmengen an Insekten, und weil diese seit ein paar Jahrzehnten in einem dramatischen Tempo verschwinden, geht ihnen die Nahrung aus.

www.fledermausschutz.ch

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert. Mehr Infos

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