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«Kino machen ist noch viel schöner als Kino schauen»

Kleine Kinos kämpfen in der ganzen Schweiz ums Überleben. Das Kino Rätia ist keine Ausnahme. Doch dank eines mutigen Programms, leidenschaftlicher Kinomacher im Hintergrund und zahlreichen weiteren kulturellen Angeboten hält sich das Rätia seit 30 Jahren hartnäckig.

Südostschweiz
06.11.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Nicht erst seit Kurzem sind die Zahlen der Kinobesuche in der Schweiz rückläufig. Das betrifft Kleine und Grosse in der Stadt und auf dem Land gleichermassen. Durch die schiere Masse können sich Multiplexkinos in Ballungsräumen da noch besser halten, aber je kleiner das Einzugsgebiet, umso schwieriger wird es. Gerade Landkinos in Talschaften kämpfen seit Jahren, ja Jahrzehnten ums Überleben. 30 Jahre Erfahrung im Überlebenskampf hat zum Beispiel das Kino Rätia in Thusis. Bisher kämpft es erfolgreich mit Beharrlichkeit, enthusiastischen Menschen im Hintergrund und einem auf den ersten Blick mutigen Programm.

Da ist etwa die Organisationsform: Seit 1988 wird das Kino vom «Verein Kino Theater Rätia» geführt, der den Betrieb damals spontan übernahm, weil das Kino Ende 1987 eigentlich hätte geschlossen werden sollen. Durch die jährlichen Beiträge der rund 600 Mitglieder verfügt der Verein über einen minimalen finanziellen Grundstock, der unabhängig von den Eintrittszahlen vorhanden ist. Damit ist aber auch eine gewisse Erwartungshaltung der Mitglieder und eine programmatische Beschränkung verbunden. Ueli Soom, Geschäftsleitungsmitglied des Vereins, sagt im Gespräch mit RSO-Reporterin Viviane Batiste: «Die Mitglieder erwarten ein Arthouse-Programm, wir können also nicht einfach plötzlich nur noch Blockbuster zeigen.»

Programme für Senioren und Kinder

Das würde aber ohnehin nicht ins Gesamtkonzept passen. Dieses umfasst nämlich viel mehr als den normalen Kinobetrieb. Der Saal verfügt über eine Bühne, wo Konzerte, Lesungen, Theater oder Poetry Slams veranstaltet werden. Seit Kurzem gibt es eine kleine Galerie, wo Kunstschaffende aus der näheren und ferneren Umgebung ausstellen können und die Bar wurde ebenfalls vor Kurzem an einen externen Betreiber ausgelagert, der ein Plus bringen soll, wie Soom weiter erklärt. Weitere beliebte Reihen seien das Nachmittagskino für Seniorinnen und Senioren Kintop, der internationale Filmklub Zauberlaterne für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren oder die dreimal jährlich stattfindende Kinodisco, bei der sich die Bühne nach einem ausgewählten Film in eine Tanzfläche verwandelt.

Das weit über Thusis hinaus bekannte, jährliche Zugpferd sind aber die Weltfilmtage Thusis. «Diese laufen jedes Jahr hervorragend», sagt Soom, «Auch dieses Jahr verzeichnten wir einen Besucherrekord.» Bei den Filmfestivals sehe man überall in der Schweiz, dass sie die Menschen sehr wohl für Filme interessieren. «Im Alltag ist wohl für viele Leute einfach bequemer aktuelle Filme über Streaming-Dienste Zuhause anzuschauen», benennt Soom das offenkundigste Problem der Kinos, «Ich persönlich schätze die grosse Leinwand und ich glaube auch nicht, dass das ausstirbt, aber es nimmt wohl weiter ab.»

Denn neben den Programmen, die im Kino Rätia funktionieren, gab es in der Vergangenheit auch schon das eine oder andere, was man einstellen musste. «Wir hatten früher einmal auch das Festival Alpine Kulturtage mit Filmen, Lesungen und Theater zum Leben im alpinen Raum, das aber gar nicht gut lief. Eine Zeit lang machten wir auch Retrospektiven zum Beispiel über Daniel Schmid (ein bekannter Bündner Regisseur, die Red.), die wir ebenfalls aufgeben mussten», nennt Soom zwei Beispiele.

Mit Leidenschaft gegen den Trend

Die Zeiten seien nicht gerade rosig, meint der leidenschaftliche Kinomacher. Doch er bringt seine Leidenschaft schön auf den Punkt: «Kino machen ist noch viel schöner als Kino schauen». Mit dem vielfältigen Kinoprogramm und den ergänzenden Angeboten, versuche man darum wieder mehr Menschen ins Kino Rätia zu bringen, das ja doch seit 30 Jahren ein kultureller Brennpunkt in der Region sei.

Man werde dabei zum Beispiel auch sehr stark von der Gemeinde Thusis unterstützt und dank der grösstenteils ehrenamtlichen Arbeit, die im Kino stecke, komme man bisher zwar knapp aber konstant über die Runden. Wenn die Gesamtentwicklung in die Richtung der letzten Jahre weitergehe, werde es irgendwann wohl kritisch, «aber wir sind nicht akut gefährdet.» Überschwänglicher Optimismus klingt anders, doch angesichts der Leidenschaft, mit der Soom und seine Mitstreiter sich für das Kino Rätia einsetzen und angesichts des grossen Interesses, auf das die Weltfilmtage jedes Jahr stossen, wünscht man sich auf jeden Fall, dass die Bündner Arthouse-Fans dem Rätia wieder vermehrt zuströmen mögen. (ofi)

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