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News und Lebenshilfe für die «Bananenscheindemokratie»

Was für Kinder der Samiklaus ist, ist für Promis und Politiker der «Schparz»: Einmal im Jahr wird abgerechnet. Heuer erscheint Churs einzige Fasnachtszeitung zum 53. Mal – relevant wie immer.

Olivier
Berger
13.02.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Vom Bauskandal bis zu Unternehmer Remo Stoffel: Auch in der 53. Ausgabe des «Schparz» bekommt die lokale Prominenz ihr Fett ab.
Vom Bauskandal bis zu Unternehmer Remo Stoffel: Auch in der 53. Ausgabe des «Schparz» bekommt die lokale Prominenz ihr Fett ab.
OLIVIA ITEM

Irgendetwas muss der «Schparz» richtig machen. Seit dem Jahr 1887 gibt es in Chur Fasnachtszeitungen. Sie hiessen «Churer Narrenzeitung», «Schleckgütterli», «D’Schnorra» oder «Runzla». Den «Schparz» gibt es seit dem Jahr 1967, seit 2002 erscheint er als einzig verbliebene Fasnachtszeitung, gewissermassen also als Monopolmedium zur närrischen Zeit. Das dürfte mit der Nachrichtenwert-Theorie zusammenhängen. Im Jahr 1922 definierte ein gewisser Walter Lippmann zehn Kriterien, die eine Nachricht für das Publikum interessant machen.

Kriterium Sensationalismus

Laut der Theorie erhöhen Sensationen den Wert von Nachrichten. Diesbezüglich sucht der «Schparz» in der Bündner Medienlandschaft seinesgleichen. So enthüllt das Blatt heuer, warum Unternehmer Remo Stoffel die denkmalgeschützte Villa «Sumatra» beim Churer Bahnhof gekauft hat. Laut «Schparz» spekuliert Stoffel auf einen indonesischen Diplomatenpass «und damit eine Carte blanche für sein weiteres caritatives Wirken».

Selbstverständlich wirft der «Schparz» seinen gewohnt kritischen Blick auch auf den Baukartellskandal des vergangenen Frühsommers – und auf dessen Auswirkungen auf die Regierungsratswahlen. «Pietro da Trin» und «Marcus da Morissen» seien gewählt worden, «nicht, weil sie etwas können, sondern weil sie nichts gemacht haben».

Kriterium Prominenz

Prominente können nie schaden, wenn man Nachrichten an die Frau und den Mann bringen will. Auch hier lässt sich der «Schparz» in seiner 53. Ausgabe nicht lumpen. Je nachdem, wie freimütig man den Begriff der Prominenz interpretiert, wimmelt es davon auf den zwölf Seiten im quadratischen Format nur so. Erwähnung findet beispielsweise Kinochefin Rita Kalberer, die angeblich bereits eine neue Initiative plant. «Eishockeyspielen soll demnach nur in der Altstadt und angrenzenden Grünflächen wie der Quaderwiese erlaubt werden», berichtet der «Schparz».

Quasi von Amtes wegen prominenter Gast in den «Schparz»-Spalten ist Stadtpräsident Urs Marti. Mal steht er den Nutzerinnen und Nutzern der fiktiven «Schparz»-Card angeblich für ein Selfie-Shooting zur Verfügung, mal misst er sich als Ringer mit seinen beiden Stadtratskollegen Tom Leibundgut und Patrik Degiacomi. Oder er teilt sich künftig das Büro mit Werber Ivo «Fifi» Frei, der übrigens laut «Schparz» Peter Peyer in die Regierung gehievt und die Mountainbike-WM auf die Lenzerheide geholt hat.

Kriterium Nähe

Auch wenn er den Kanton wenig schmeichelhaft als «Bananenscheindemokratie» bezeichnet: Auch die dringend erforderliche Nähe zur Leserschaft erfüllt der «Schparz» einmal mehr in mustergültiger Weise. Zum Beispiel mit einer Fotostrecke über die kulinarische Vielfalt und das Shoppingparadies in Chur – angeblich bietet Chur Tourismus neu die passende «Führung zum Nichts» an.

Somedia wird in der aktuellen Ausgabe des «Schparz» gleich in einem zweiseitigen «Special» genüsslich durch den Kakao gezogen. Hier kommt unter anderem auch das Nachrichtenkriterium «Nutzen» zum Tragen. Dem «'Südostschweiz'-Journalisten Bolivier Ärger» rät das Blatt, seine Artikel zwecks besserer Verbreitung künftig zu Konfetti zu verarbeiten. In diesem Sinne: Her mit dem Locher! Mehr Nachrichten und Lebenshilfe vom «Schparz» gibt es ab heute an Kiosken in Chur, Landquart, Ilanz, Thusis und Domat/Ems.

Auf viel Gold folgt jetzt das Blech
Olympiagold und sieben Weltmeistertitel hatte er schon. Jetzt erhält Nino Schurter den «Schparz»-Orden.
Graubünden Ferien habe es verschmäht, Nino Schurter zum Werbebotschafter für den Kanton zu machen, schreibt der «Schparz». Dafür werde dem Weltklasse-Mountainbiker jetzt der  «Schparz»-Orden verliehen. Schurter ist der 53. Träger des Ordens. Umgehängt wird ihm das «begehrte Blech» laut dem «Schparz» an der offiziellen Ordensverleihung am 1. März im Hotel «Marsöl».

Olivier Berger wuchs in Fribourg, dem Zürcher Oberland und Liechtenstein auf. Seit rund 30 Jahren arbeitet er für die Medien in der Region, aktuell als stellvertretender Chefredaktor Online/Zeitung. Daneben moderiert er mehrmals jährlich die TV-Sendung «Südostschweiz Standpunkte». Mehr Infos

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