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Erfolgsrezept: Die persönlichen Sorgen bleiben völlig anonym

Beim Schweizer Sorgentelefon hat es im vergangenen Jahr beinahe 250 000 Mal geklingelt. Was schweizweit ein deutlicher Anstieg ist. Auch in der Regionalstelle in St. Gallen, wo die Anrufe von Hilfesuchenden aus dem Glarnerland eingehen, wurden mehr Gespräche geführt.

Südostschweiz
07.02.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Das Sorgentelefon ist beliebt: Die Anzahl Anrufe auf Nummer 143 ist gestiegen, aber weniger stark als die Online-Anfragen.
Das Sorgentelefon ist beliebt: Die Anzahl Anrufe auf Nummer 143 ist gestiegen, aber weniger stark als die Online-Anfragen.
KEYSTONE

Immer mehr Leute wählen die Telefonnummer 143, die des Schweizer Sorgentelefons. Im vergangenen Jahr haben die rund 640 Freiwilligen 174 217 Gespräche mit Ratsuchenden geführt, 8,2 Prozent mehr als im Vorjahr.

Insgesamt gingen in den zwölf Regionalstellen der Dargebotenen Hand 241 359 Anrufe ein. Laut dem Verband lässt sich die grosse Differenz zwischen Gesprächen und Anrufen so erklären, wonach bei starker Nachfrage nicht alle Gespräche entgegengenommen werden konnten. Rund 42 000 Anrufe wurden auf später verschoben.

Besonders stark war die Zunahme in der Deutschschweiz. Dort suchten 12 Prozent Personen mehr ein offenes Ohr. Was möglich war, da der Verband die Kapazitäten in den deutschsprachigen Regionen erhöht hatte. «Unter anderem wurde eine dritte Schicht in den Abendstunden in der Beratungsstelle in Zürich eingeführt, die gegen ein Fünftel aller Anrufe in der Schweiz bewältigt», sagt Geschäftsführer Franco Baumgartner.

Alle hilfesuchenden Anrufe aus dem Glarnerland werden hauptsächlich in St. Gallen in der Regionalstelle Ostschweiz und dem Fürstentum Liechtenstein entgegengenommen.

Online-Beratung ist gefragt

Stark gestiegen ist die Zahl der Onlinekontakte. Diese nahmen um 11,8 Prozent auf 6884 zu. Zwei Drittel der Kontakte fanden im Chat statt, ein Drittel via E-Mail. Weil die Nachfrage nach Chats in den letzten Jahren stetig zunahm, soll das Angebot weiter ausgebaut werden.

Online ist das Thema Suizid seit Jahren deutlich wichtiger als am Telefon. Stigmatisierte Themen werden bei der Onlineberatung offenbar häufiger angesprochen, da diese noch anonymer als das Telefon ist.

Dass die Anonymität der Ratsuchenden jederzeit gewährleiste ist, ist dem Verband ein grosses Anliegen. Weshalb keinerlei persönliche Daten erhoben würden. Für die Jahresstatistik werden lediglich die Anzahl Anrufe, Gespräche, E-Mails und Chats gezählt.

Zudem wird nach Geschlecht der Anrufer unterschieden. Seit jeher suchen rund doppelt so viele Frauen Unterstützung als Männer. Der Anteil Frauen liegt also bei zwei Dritteln.

Psychische Leiden dominieren

Bei den Gesprächsthemen am Sorgentelefon hat sich 2018 wenig verändert: Bei einem Viertel aller Anrufe waren psychische Leiden das dominierende Anliegen. Oft stünden Depressionen, aber auch andere psychische Krankheiten im Vordergrund, so Baumgartner. «Nicht selten raten Therapeuten ihren Klienten, auch mal bei Telefon 143 anzurufen, wenn sie in einem Tief sind. Ein offenes Ohr kann für diese Menschen in einem solchen Moment sehr hilfreich sein.»

Fast ebenso häufig suchten Menschen Hilfe bei der Bewältigung des Alltags. «Oft sind dies alte, einsame Menschen, die uns immer mal wieder anrufen, weil sie im Alltag bei einfachen Dingen anstehen», so Baumgartner. Als Beispiel nennt er das einer älteren Frau, die es an jenem Tag nur schwer schafft, aus dem Haus zu gehen, weil sie körperlich leidet. «Nichts Akutes, aber wir können sie so stärken, dass es ihr dann doch gelingt.»

17 Prozent der Beratungs-Gespräche drehten sich um Beziehungsthemen wie Partnerschaft und Familie. Bei 10 Prozent stand die Einsamkeit im Vordergrund. Bei 1,4 Prozent der Gespräche spielte das Thema Suizid eine Rolle.

 

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