×

«Mein erster Goethe war ein Pfefferstreuer»

Jedes Wochenende stellen hier mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten aus der Region ihren Lieblingsgegenstand – sozusagen ihr Schmuckstück – vor

Linth-Zeitung
29.12.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Goethe im Garten: Daniela Colombo hat ihre Goethe-Büste festgeklebt, damit der Wind ihrem Lieblingsdichter nichts anhaben kann.
Goethe im Garten: Daniela Colombo hat ihre Goethe-Büste festgeklebt, damit der Wind ihrem Lieblingsdichter nichts anhaben kann.
ELVIRA JÄGER

von Elvira Jäger

Daniela Colombo ist seit ihrem Germanistikstudium Goethe-Fan. Als Kantonsschullehrerin freut es sie, dass Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) bei ihren Schülern noch immer gut ankommt. In ihrer Wohnung und ihrem Garten stösst man auf Schritt und Tritt auf den Dichter.

Der Goethe-Kopf aus Gips in Ihrem Garten, den Sie als Schmuckstück ausgesucht haben, ist nicht das einzige Goethe-Accessoire in Ihrer Wohnung. Da gibt es Guetsliformen und Pfefferstreuer mit Goethes Antlitz, im Garten auch einen Setzling von Goethes geliebtem Gingkobaum. Wie kamen Sie zu diesen Stücken?

Ich war schon mehrmals in der deutschen Stadt Weimar, an deren Hof Goethe viele Jahre gelebt und gearbeitet hat und wo er auch starb. Mein erstes Goethe-Souvenir aus Weimar war ein Pfefferstreuer, der aber leider nie richtig funktioniert hat. Der Salzstreuer, der natürlich Friedrich Schiller darstellte, ging sogar ganz kaputt. Die Garnitur war ja auch bloss ein Gag. Der Gingko ist ein Bonsai-Bäumchen, der wird also nie so gross wie Goethes Lieblingsbaum.

Wie kamen Sie zu Ihrem eigentlichen Schmuckstück, dieser Goethe-Büste?

Ich kaufte sie im Goethe-Haus in Weimar, weil ich fand, sie würde gut in meinen Garten passen. Leider war die Büste nicht in die Schweiz lieferbar. Eine Kollegin hat sie dann zu sich nach Hause in Konstanz bestellt und mir mitgebracht.

Und Sie haben den Dichterkopf feierlich in Ihrem Garten aufgestellt?

Feierlich ist das richtige Wort. Wir haben eine Goethe-Party veranstaltet, an der ich eine Rede hielt, bevor wir die Büste enthüllt haben.

Was gefällt Ihnen an dieser Büste besonders?

Sie stellt den jungen Goethe dar, den mit den längeren Haaren. Diese Ansicht des Dichters ist nicht so bekannt. Den älteren, würdigen Herrn Geheimrat kennen hingegen alle.

Nehmen Sie die Gipsbüste zu sich in die Wohnung, wenn es stürmt, damit sie nicht kaputt geht?

Mein Goethe hat schon einige Windstösse überstanden, denn ich habe den Kopf angeleimt. Leider droht ihm jetzt von anderer Seite Schaden, er blättert ab. Nun muss ich mir überlegen, was ich dagegen tun kann. Ich möchte ihn nicht unbedingt lackieren, weil er dann zu stark glänzt.

Was fasziniert Sie so an Goethe, den man auch als Weimarer Dichterfürsten bezeichnet?

Goethe war einerseits Politiker und andererseits Künstler. Dieses Spannungsfeld auszuhalten und von den politischen Sachzwängen nicht aufgerieben zu werden – das finde ich beeindruckend. Ausserdem lebte er am Hof von Weimar jahrzehntelang in wilder Ehe mit Christiane Vulpius und heiratete schliesslich unter seinem Stand. Dass er sich so wenig um die damals herrschende Konvention scherte, gefällt mir.

Welches sind Ihre Lieblingswerke von Goethe?

Auf jeden Fall «Faust», aber ich liebe auch «Torquato Tasso».

Sie sind Lehrerin an der Kantonsschule Romanshorn. Was sagen heutige Schüler zu Goethe?

Sie mögen den «Werther», aber auch «Faust» kommt immer noch gut an. Was Goethe an Themen in dieses gigantische Werk verpackt, imponiert auch heutigen Jugendlichen.

Darf man Sie als Goethe-Fan bezeichnen?

Fan im Sinne von unkritischer Bewunderung: nein. Aber mir gefällt an Goethe, dass er wusste, dass man nicht ohne schmutzige Finger durchs Leben kommt.

Eine Frau der Literatur
Daniela Colombo hat in Zürich Germanistik studiert und an der Humboldt-Universität in Berlin eine Dissertation über Christa Wolf und Heiner Müller verfasst. Die 54-Jährige ist Gymnasiallehrerin an der Thurgauer Kantonsschule in Romanshorn und engagiert sich auf vielfältige Weise für das Kulturleben an ihrem Wohnort Rapperswil-Jona. So ist sie Mitorganisatorin der alle zwei Jahre stattfindenden Literaturtage.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR