×

Ich habe heute - wie zwei andere - einen Fuchs überfahren

Todesfalle Herbst: Zu keiner anderen Jahreszeit kommt es auf Bündner Strassen häufiger zu Unfällen mit Wildtieren als jetzt. Die Polizei registriert teilweise mehrere Zusammenstösse täglich (!). Neue Wildwarnsysteme werden ins Auge gefasst.

Patrick
Kuoni
25.10.18 - 09:37 Uhr
Leben & Freizeit
Verkehr
Warnschilder soll mithelfen, Wildunfälle zu verhindern.
ARCHIVBILD

Franz K. ist mit dem Auto unterwegs auf der Strecke zwischen Landquart und Davos. Er ist auf dem Weg an ein Hockey-Spiel. Es ist 19 Uhr. Die Sonne ist längst untergegangen und langsam aber sicher macht sich die Dunkelheit im Prättigau breit. Die Fahrt verläuft störungsfrei und flüssig. Franz ist bereits an der Ausfahrt Jenaz vorbeigefahren und freut sich auf das kommende Spiel. Doch kurz vor der scharfen S-Kurve bei Fideris passiert es: Ein Fuchs läuft Franz vors Auto. Er hat keine Chance mehr zu bremsen und überfährt den Fuchs. Das Tier scheint sich jedoch noch zu bewegen. Doch Franz ist mit der Situation überfordert. Soll er dem Tier helfen? Wo muss er anrufen? Und wie schlimm wäre es, wenn er das Tier einfach liegen lassen und weiterfahren würde?

Tier nicht anfassen

Markus Walser, Mediensprecher der Kantonspolizei Graubünden, kann Franz weiterhelfen. Er würde ihm Folgendes raten: «Halten Sie an, sichern Sie die Unfallstelle mit dem Pannendreieck. Im Ausserortsbereich muss das Pannendreieck 150 – 250 Meter vor der Unfallstelle aufgestellt werden. In jedem Fall die Polizei informieren und melden, wie die Situation aussieht und ob beim Zusammenprall auch Menschen zu Schaden gekommen sind. Die Polizei leitet dann die entsprechenden Massnahmen ein und benachrichtigt auch die Wildhut.» Das verletzte Tier solle Franz nicht anfassen, da es unter Stress stehe und gefährlich sein könne.

Weiterfahren ohne Meldung an die Wildhut oder die Polizei ist gemäss Walser nicht zu empfehlen: «Bei Unfällen mit Sachbeschädigung Dritter ist unverzüglich der Besitzer, bei Wildtieren ist das der Kanton, oder die Polizei zu benachrichtigen. Wer die Meldung unterlässt, macht sich strafbar.»

Durchschnittlich mehrere Unfälle täglich

Ein Unfall wie derjenige von Franz ist keine Seltenheit, wie Walser ausführt. «Die meisten dieser Unfälle ereignen sich bei Dunkelheit sowie in den Dämmerungsstunden.» Durchschnittlich sei es auf Bündner Strassen in den Jahren 2009 bis 2017 zu insgesamt 843 Unfällen pro Jahr gekommen. Also zu fast drei Kollisionen täglich - Dunkelziffer nicht mit eingerechnet. Es würden deshalb praktisch täglich Unfälle mit einem Wildtier der Kantonspolizei Graubünden respektive der Wildhut gemeldet.

Um diese Unfälle zu reduzieren, wurden in den letzten Jahren verschiedene Wildwarnsysteme aufgestellt. Im Moment sind insgesamt vier feste Anlagen sowie zwei mobile Anlagen in Betrieb. Und der Kanton hat gemäss Walser noch weitere Anlagen ins Auge gefasst: «Zwei sind zwischen Chur und Trimmis geplant. Eine wird demnächst und die zweite Anlage spätestens im Frühling oder Sommer 2019 in Betrieb genommen. Ebenfalls wird eine Anlage, vermutlich im Frühling 2019, ausgangs San Vittore bis zur Kantonsgrenze Tessin gebaut. Zudem wird eine bestehende mobile Anlage in Sumvitg angepasst. Mit dem Strassenausbau zwischen Tamins und Trin wird die bestehende Anlage angepasst und auf eine längere Strecke ausgebaut.»

Erfolgreiche Wildwarnsysteme

Dass die Wildwarnsysteme weiter ausgebaut werden, hat gemäss Walser auch mit der hohen Erfolgsquote bei der Unfallreduktion zu tun: «Erfahrungen mit solchen Anlagen haben aufgezeigt, dass auf den erfassten Streckenabschnitte eine Unfallreduktion mit Wildtieren von 80-100% erzielt werden kann. In der Zwischenzeit stellen wir auch fest, dass die Fahrzeuglenkenden die signalisierte Höchstgeschwindigkeit mehrheitlich erkennen und auch einhalten», so der Mediensprecher der Kantonspolizei.

Und für Franz, der nun dank Walser Bescheid weiss, was bei einem Wildunfall zu tun ist, hat der Mediensprecher auch noch einige allgemeine Tipps zur Vermeidung von Wildunfällen in petto: «Aufmerksamkeit und angepasstes Tempo sind elementar! Insbesondere im Bereich von Wildwarnsignalen ist das Tempo zu reduzieren.»  Besondere Vorsicht sei an unübersichtlichen Stellen wie in der Nähe von Wald, Hecken und Getreidefeldern geboten. Ausserdem solle der rechte Strassenrand im Auge behalten werden (links bleibt ein wenig mehr Reaktionszeit).

Taucht dann tatsächlich ein Tier vor dem Fahrzeug auf, empfiehlt Walser: «Tempo reduzieren und das Abblendlicht einschalten (geblendete Tiere bleiben stehen).»

Inzwischen ist die Polizei an der Unfallstelle eingetroffen. Ob der Fuchs den Unfall überlebt, ist aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit dem das Auto auf das Tier aufgeprallt ist, fraglich. Doch da es sich um eine fiktive Geschichte handelt: Ja, der Fuchs hat dank des richtigen Eingreifens von Franz überlebt. 

Patrick Kuoni ist Redaktor und Produzent bei Südostschweiz Print/Online. Er berichtet über Geschehnisse aus dem Kanton Graubünden. Der Schwerpunkt seiner Berichterstattung liegt auf den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Tourismus. Wenn er nicht an einer Geschichte schreibt, ist er als einer der Tagesverantwortlichen für die Zeitung «Südostschweiz» tätig. Patrick Kuoni ist in Igis (heutige Gemeinde Landquart) aufgewachsen und seit April 2018 fester Teil der Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.

Nach meiner Erfahrung lässt sich ein Unfall mit einem Wildtier vermeiden, indem man - auf entsprechenden Teilstrecken, vor allem in Kurven - langsam und mit aufgeblendeten Scheinwerfern (Fernlicht) fährt. Bei Dunkelheit warten die Tiere, die die Straße überqueren wollen, oft am Straßenrand, bis ein Auto kommt, und überqueren dann, weil sie im Scheinwerferlicht die sonst dunkle Straße und die gegenüberliegende Straßenseite besser sehen können, die Straße. Bei Fernlicht überqueren sie die Straße eher, bevor das Auto zu nahe gekommen ist, denn dann sehen sie die Straße schon früher als bei Abblendlicht und sind, wenn das Auto die Stelle erreicht, schon verschwunden.

Mehr Kommentare anzeigen
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR