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«Die Wertschätzung ist nicht mehr gleich wie früher»

Nach 48 Jahren bei der Post ist Robert Hauser aus Näfels in Pension gegangen. Das Ende der letzten Tour kam dem 64-Jährigen einer Erlösung gleich, der Druck in letzter Zeit war gross.

Paul
Hösli
12.05.18 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Röbi Hauser hat sein ganzes Arbeitsleben bei der Post verbracht.
Röbi Hauser hat sein ganzes Arbeitsleben bei der Post verbracht.
PAUL HÖSLI

Er wohnt sogar im Postgebäude von Näfels: in der heimeligen Stube von Robert, von allen nur Röbi genannt, und Helen Hauser im zweiten Stock stehen drei Uhren. Das passt. Röbi Hauser war 48 Jahre als Briefträger tätig, und die Zeit und er waren Freunde – mal mehr, mal weniger gute. Viel Zeit ist auch vergangen, seit der 64-Jährige die Lehre als Briefträger absolvierte. Im April 1970 hat er diese bei der Post in Schwanden angetreten. Ein Jahr dauerte die Lehrzeit bloss.

Nach vier Jahren in Niederurnen und den obligaten drei Jahren in der Sihlpost in Zürich – jeder Briefträger muss nach der Ausbildung in einer Grossstadt arbeiten – kehrte er nach Näfels zurück und trug in seinem Heimatdorf und in Mollis 37 Jahre lang die Post aus. Selbst während der Zeit in Zürich wurde das Glarnerland Röbi Hauser nicht los. «Ich wurde nach Glarus geschickt, um dort auszuhelfen», erinnert er sich mit einem Lachen.

Ein schönes Geschenk

«Die Arbeit hat mir immer grosse Freude bereitet und war nie ein Müssen. Ich bin gerne draussen», sagt er im Rückblick. Egal, ob die Sonne schien, der Wind blies, es in Strömen regnete oder Schnee fiel. Bis auf die letzten Monate: «Da war die Luft irgendwie draussen. Auf der Zielgeraden ging mir diese aus. Auch der Winter setzte mir zum ersten Mal zu.»

«Heute arbeitet jeder, ein persönlicher Kontakt mit den Leuten zu Hause kommt immer weniger zustande.»

Am Freitag vor einer Woche war das Ziel nun erreicht, Röbi Hausers letzter Arbeitstag nach fast einem halben Jahrhundert bei der Post war gekommen. «Das Ende der letzten Tour kam einer Erlösung gleich, der Druck war weg», gesteht er. Denn das ganze Postwesen habe sich in den letzten Jahren schon verändert, speziell seit 2008, als aus der Post eine Aktiengesellschaft wurde, und sie in die Privatwirtschaft überging. «Das Image der Post hat in den letzten Jahren gelitten, und es war nicht mehr das gleiche Arbeiten.» Und auch seine Gesundheit litt zunehmend, daher der perfekte Zeitpunkt, in Rente zu gehen.

Der obligate Hundebiss

Dennoch hat Röbi Hauser viele schöne Erinnerungen an seine Zeit als Briefträger. Mit Kontakten zu verschiedenen Leuten, «was mir immer gefallen hat.» Zu einer älteren Frau, die nicht mehr gut zu Fuss war, hatte er ein besonders gutes Verhältnis. Denn neben der Postzustellung hat er ihr jahrelang kleine Gefälligkeiten gemacht, wie die Milch in die Wohnung zu bringen. Die Frau hat ihm nach dem Tod einen Geldbetrag hinterlassen. «Es war nicht viel, der symbolische Wert jedoch zählte.» Eine solche Geschichte könne nicht jeder Briefträger erzählen. «Es hat mich stolz gemacht und war eine tolle Wertschätzung. Diese ist leider nicht mehr gleich wie früher, es gibt viel weniger Goodwill von den Leuten», sagt er nachdenklich.

Es sei kaum noch jemand zu Hause, nicht wie etwa in den 1990er-Jahren, als die Leute vor dem Haus auf die Post warteten. «Heute arbeitet jeder, ein persönlicher Kontakt mit den Leuten zu Hause kommt immer weniger zustande», bedauert Röbi Hauser die Entwicklung.

Nach 48 Jahren bei der Post wird Röbi Hauser von seinen Weggefährten mit einem Apéro in Pension verabschiedet.JEAN-PIERRE HAUSER
Nach 48 Jahren bei der Post wird Röbi Hauser von seinen Weggefährten mit einem Apéro in Pension verabschiedet.JEAN-PIERRE HAUSER

Die Züge waren seine Uhr

Die Schenkung war aussergewöhnlich. Was hingegen dem klassischen Klischee eines Briefträgers entspricht, ist der Hundebiss. Und auch davor wurde Röbi Hauser nicht verschont. «Das war vor rund 15 Jahren. Hunde machen nun mal, was sie wollen und nicht, was ich will.» Nach einer Starrkrampfspritze und einer kleinen Auszeit war Röbi Hauser wieder bereit, die Briefe zu Fuss auszutragen, mit dem Elektrowagen und später mit dem dreirädrigen Elektrotöff. «Diese Anschaffung war das Beste, was die Post machen konnte.» Gefehlt habe er praktisch nie, «bis auf etwa dreimal», berichtet er stolz. Mit Stolz hat er jeweils die Post ausgetragen, und entgegen der verbreiteten Meinung wurden es in den letzten Jahren nach seiner Einschätzung nicht weniger Briefe. Und obwohl in seiner Stube drei Uhren stehen, zum Arbeiten hatte er nie eine Armbanduhr an. «Ich wusste immer, wie spät es war. Ich habe mich zum Beispiel an den Zügen orientiert.»

Röbi Hauser ist ein Briefträger der alten Schule. Die zunehmende Technisierung habe ihm Mühe bereitet, sagt er. «Ich habe lieber Papier als elektronische Hilfsmittel wie Scanner. Damit habe ich mich schwergetan.» Er habe mit dem Gedanken gespielt, einer anderen Arbeit nachzugehen. «Meine Fähigkeiten haben für etwas anderes nicht ausgereicht, eine Umstellung wäre schwierig gewesen.»

Die gewonnene Zeit geniessen

So blieb Hauser seinem einzigen Arbeitgeber treu, selbst wenn ihm der Job in den letzten Jahren nicht mehr so viel Spass bereitet hat wie früher. Dass er ein geschätzter Arbeitskollege war, bestätigt Doris Lauber, die während des Gesprächs vor der Post in Näfels auftaucht. «Es war immer super, mit Röbi zusammenzuarbeiten, er war ein Vorbild», schwärmt sie. Röbi Hauser freut sich sichtlich über das Kompliment. «Irgendwie bin ich noch dabei. Ganz angekommen ist es noch nicht, dass ich pensioniert bin.»

Ist er aber – und das ist gut. Er will: «Geniessen, einfach nur die Zeit geniessen.» Er hat zwei erwachsene Söhne, eine Enkelin, einen Wohnwagen, ein Ferienhaus und singt seit 1972 mit Leidenschaft im Männerchor Näfels, welchen er einst sogar präsidierte. Und: «Jeden Mittwoch gehe ich mit einem Kollegen velofahren.»

Bald reist er mit seiner Frau Helen, mit der er nächstes Jahr 40 Jahre verheiratet sein wird, nach Cornwall (England) in die Ferien. Zeit hat er jetzt ja genug.

Paul Hösli ist Redaktor bei den «Glarner Nachrichten» in Ennenda. Wenn er keine Artikel über das regionale Geschehen verfasst, produziert er die Zeitung. Zudem ist er der Stellvertreter von Ruedi Gubser für das Ressort Sport. Er ist seit 1997 bei der «Südostschweiz», im Jahr 2013 wechselte er intern von der Druckvorstufe in die Redaktion. Zuerst in einem 40-Prozent-Pensum und seit 2016 zu 100 Prozent. Mehr Infos

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